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Bündner und Tiroler vor historischer Chance 

Südostschweiz
11.02.20 - 04:30 Uhr
BILD ZVG
BILD ZVG

Hans Peter Danuser und Amelie-Claire von Platen sind im Engadin zu Hause und zeigen uns ihren Blickwinkel. Was bewegt Land und Leute? Wo ist das Engadin stark und wo hinkt es einzelnen Mitbewerbern hinterher? Und was geschieht auf politischer Bühne? Der Blog «Engadin direkt» berichtet persönlich und authentisch.

Am 4. Februar fand in Landeck eine interessante Tagung über «Visionen der Alpenüberquerung» statt. Der Arbeitskreis Mobilita Raetica aus der INTERREG Region Terra Raetica lud ein – gut 30 Politiker, Chef-Beamte und Eisenbahn-Spezialisten aus Süd- und Nordtirol waren dabei, ebenfalls etwa zehn Vertreter aus dem Engadin, Münstertal und «Nordbünden». 

Dipl. Bauing. ETH und Verkehrsplaner Paul Stopper berichtete über die aktuellen «Eisenbahn-Entwicklungen im erweiterten rhätischen Dreieck», Dr. Walter Weiß über die Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung der Vinschgerbahn und Dr. Michael Prachensky über Hightech Projekte der Eisenbahn.

Die anschließende Diskussion zeigte, wie wichtig solche grenzübergreifenden Treffen sind, aber auch, wie komplex Dreieck-Beziehungen liegen, wenn es um die Konkretisierung und Umsetzung der einzelnen Visionen und Utopien geht.

Das beistehende Kroki zeigt eine Übersicht der bestehenden, entstehenden und visionären Eisenbahnverbindungen dieser Region. Der kürzeste, kostengünstigste und gleichzeitig wirkungsvollste Bahn-Lückenschluss ist dabei klar jener einer Verlängerung der Vinschgerbahn von Mals nach Scuol, den die Südtiroler Regierung favorisiert.

Als ich mich in der Diskussion entsprechend dafür einsetzte, waren die anwesenden Vertreter Nordtirols, des Reschenpasses und Münstertals gar nicht begeistert, brachten mir aber im Gespräch beim folgenden Imbiss Verständnis entgegen.

Lieber dieses konkrete Projekt «zeitnah» realisieren, als weiterhin von finanziell unrealistischen Visionen zu träumen. Von solch einer Verbindung profitieren auch Nachbartäler und -regionen, die nicht unmittelbar betroffen sind, dafür von Lärm- und Landschafts-Immissionen verschont bleiben, aber beim später einsetzenden touristischen Mehrverkehr ebenfalls zum Zug kommen.

 Die Verlängerung der Vinschgerbahn überzeugt in mehrfacher Hinsicht:

  • Umwelt und Klima
    Von den 26 Bahnkilometern zwischen Mals und Scuol liegen 19 Kilometer im Tunnel. Das bedeutet: wenig Beeinträchtigung der Umwelt und Landschaft, wenig Lärm und Klimabelastung, da elektrifiziert.

  • Finanzen
    Italien baut mit Österreich und der EU zZ. den Brenner-Basistunnel (60 Kilometer) sowie mit Frankreich und der EU den Mont Cenis-Basistunnel (57.5 Kilometer), die in diesem Jahrzehnt viel Geld absorbieren. Alle beteiligten Länder haben massive Budget-Probleme, die EU ebenfalls (Brexit).
    'Brüssel' hat «Bozen» die Mitfinanzierung der Verlängerung Mals-Scuol aber trotzdem zugesagt, was auch zum «Green Deal» der neuen EU-Kommission passt

  • Touristisches Potential
    Dieses Potential der Mals-Scuol Bahnverbindung ist gewaltig: Zwischen Venedig und St. Moritz liegen sieben UNESCO-Welterben, durch den Glacier Express zum Matterhorn kommen zwei weitere dazu - alle Bahn-/ ÖV- erschlossen!
    Der Lückenschluss zwischen Trenitalia und den RhB/SBB/DB-Netzen entlastet die Tal- und Passstraßen vom überbordenden Motorverkehr und generiert Umwelt- und klimafreundliche touristische Mehrfrequenzen, auch für die benachbarten Regionen.

  • Graubünden/Schweiz
    Südtirol/EU können Graubünden/CH finanziell entgegenkommen. Bei Gesamtkosten von einer Milliarde Euro kämen Graubünden/CH für etwa 300 Millionen Franken endlich zum letzten Stück der Ostalpen Bahn-Traverse, die die Schweizer Bundesversammlung dem Kanton vor über 100 Jahren rechtsgültig versprochen hat.
    Wenn Südtirol uns auch beim Betrieb und Unterhalt der neuen 26 Kilometer Normalspur entgegenkommt, wird es für «Chur» immer schwieriger, diese historische Chance zu verwedeln und klein zu reden. Ein Vergleich mit dem Vereina-Tunnel, dessen Bau von etwa einer Milliarde Franken GR/CH komplett selbst finanziert haben und dessen Betrieb samt Unterhalt recht kostspielig ist, zeigt, was ich meine. Der Tunnel hat seither eine enorm positive Wirkung für Tourismus und Bevölkerung im Engadin erzielt.
    Nur der Bau der Passstraße von Chiavenna nach Splügen war noch günstiger,weil ihn Österreich/Habsburg komplett selber finanziert hat. Das war aber vor 200 Jahren, als der Kanton Graubünden mausarm war und unter dem Verlust des «Veltlins» litt, das die Österreicher sich 1815 am Wiener Kongress einverleibt hatten.

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Hansjörg Mueller; ich habe selten so einen Mist gelesen wie Ihren Kommentar; „Bündner sind eben sehr speziell und nicht offen für Neues“. Da muss einer sehr mit seiner eigenen Intelligenz kämpfen. Mir ist schon seit langem aufgefallen, dass der Mensch verblödet hauptsächlich deshalb, weil er es zu bequem hat, weil er zu faul und zu feige ist, sich selbst auf die Suche nach seinem eigenen Wissen und seiner eigenen Intelligenz zu machen. Vielen Leuten wird in dem letzten Jahrzehnt folgendes Phänomen nicht verborgen geblieben sein: Der Großteil der Menschheit verblödet zunehmend und das schlimme ist, kaum jemand stört sich daran! Ja Herr Mueller, schreiben Sie einfach weiter, irgendwann mal wird schon was sinnvolles dabei sein. Die Hoffnung stirbt zuletzt!
Heute haben wir es oft mit Artificial Stupidity als mit Artificial Intelligence zu tun. Andreas Hieke, derzeit kritischster Physiker des Silicon Valley.

Danuser kann es nicht lassen (smile) oder anders herum: warum gibt es keine jungen Promotoren für dieses Projekt? Bin etwas erstaunt, dass man verdiente Verkehrdirektoren aus der Pensionnierung weckt für dieses Projekt - aber eben: Bündner sind eben sehr speziell und nicht offen für Neues