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Nach Hirschtaucher fordert Jagdinspektor einen Zaun

Die Bilder gehen ans Herz. Nur mit vereinten Kräften können Wildhut, Jäger und Feuerwehr einen Hirsch aus einem Wasserkanal retten. Jetzt fordert der kantonale Jagdinspektor Adrian Arquint Massnahmen.

Südostschweiz
25.01.22 - 18:01 Uhr
Ereignisse

von Nicole Nett und Markus Seifert

Drei Stunden muss der Sechzehnender am Sonntag im eiskalten Wasser in Landquart ausharren. Alleine schafft es der kapitale Hirsch nicht aus dem Wasserkanal zur Papierfabrik an Land. Dann endlich wird er mit vereinten Kräften und mithilfe eines Krans doch noch gerettet. Wir haben darüber berichtet. Hier die Rettungsaktion im Video:

Video Leserreporterin

Eine Rettungsaktion wie diese ist auch für den Leiter des Amtes für Jagd und Fischerei, Adrian Arquint, nicht alltäglich. Die kantonale Wildhut habe die Rettung vor Ort koordiniert, erzählt er. Mehrere herbeigerufene Jäger hätten zudem die Aktion unterstützt. «Weil der Hirsch aber zu schwer war, um von den Männern aus dem Kanal gezogen zu werden, wurde die örtliche Feuerwehr herbeigerufen», so Arquint. Mit einem Einsatzfahrzeug der Feuerwehr habe man den Hirsch schlussendlich über eine Drehleiter aus dem Kanal gezogen. Gemäss Arquint hatte der erschöpfte Hirsch danach keine Kraft mehr, um zu flüchten. So sei er noch eine Weile vor Ort liegen geblieben und konnte sich von den Strapazen erholen. In der Nacht auf Montag habe er den Unfallort selbstständig verlassen. «Wir nehmen an, dass er dieses Unglück überleben wird.»

«Wir nehmen an, dass er dieses Unglück überleben wird.»

Adrian Arquint, Amt für Jagd und Fischerei

Der Hirsch war vor dem Zwischenfall offenbar nicht alleine unterwegs. Augenzeugen konnten beobachten, wie drei Hirsche hochflüchtig von Landquart her über das offene Feld gerannt kamen.  Dass sich die Tiere ins Zentrum von Landquart verirrt haben, sei ungewöhnlich, erklärt Arquint. Er nimmt an, dass sie in ihrem Tagesbestand von einem Hund oder Spaziergänger gestört wurden und die Flucht ergriffen. Als die Tiere den Kanal erreichten, kehrten zwei um. Der dritte aber wollte ihn überspringen - und landete im Wasser.

«Einer der drei Hirsche versuchte, den Kanal zu überspringen und fiel ins Wasser.»

Adrian Arquint, Amt für Jagd und Fischerei

Ein weiterer Vorfall bekannt

Laut einer Leserreporterin, welche die Aktion in einem Video festhielt, fallen oft Tiere in diesen Wasserkanal. Auch dem zuständigen Wildhüter ist ein ähnlicher Fall aus dem Jahr 2017 bekannt. Damals gerieten circa fünf Hirsche gleichzeitig in den Kanal. In Zusammenarbeit mit der Firma Repower AG, die für den Kanal zuständig ist, konnten bis auf einen alle Hirsche gerettet werden. Arquint ist der Meinung, dass man solche Vorfälle mit einem Zaun um den ganzen Bereich des Wasserkanals verhindern könnte. Der Mühlbach am Unfallort sei über eine längere Strecke kanalisiert und weise daher keine natürlichen Ufer auf. «Für Wildtiere ist es nicht möglich, diesen Abschnitt des Kanals wieder selbstständig zu verlassen.» 

«Für Wildtiere ist es nicht möglich, diesen Abschnitt des Kanals wieder selbstständig zu verlassen.»

Adrian Arquint, Amt für Jagd und Fischerei

Zudem führe dieser Kanal relativ viel Wasser und die Tiere müssten gegen eine starke Strömung ankämpfen oder würden abgetrieben. Etwa 500 Meter bachaufwärts sei der Mühlbach nicht mehr kanalisiert. «Hirsche überqueren dort im Winter auf der Suche nach Nahrung praktisch jede Nacht unbeschadet den Bach», so Arquint.

Repower AG will solche Vorfälle verhindern

Der Kanal existierte gemäss Stefan Bisculm von der Repower AG seit hundert Jahren. Er wurde damals als Wasserkraftwerk und für die Papierfabrik Landquart erstellt. Repower AG habe das Wasserkraftwerk Landquart vor zehn Jahren übernommen. Die Aktion vom Sonntag ist der Firma bekannt. «Wir bedauern diesen Vorfall und sind froh, dass der Hirsch gerettet werden konnte», sagte der Repower-Sprecher gegenüber Radio Südostschweiz. Bisculm ist sich bewusst, dass pro Jahr etwa ein bis zwei Tiere ertrinken. Das soll nicht zum Standard werden – auch weil dort ein beliebter Spazierweg ist. Repower AG habe die Situation immer wieder überprüft. Letztes Jahr habe man an einigen heiklen Stellen Zäune gebaut, um die Situation wenigstens ein bisschen zu entschärfen und sicherer zu machen. Doch jetzt müsse gehandelt werden. «Wir sind in Kontakt mit der Wildhut und werden die Situation nochmals neu überprüfen.»

«Wir sind in Kontakt mit der Wildhut und werden die Situation jetzt nochmals neu überprüfen.»

Stefan Bisculm, Repower AG

Wenn es die Situation erfordere, soll an weiteren Stellen einen Zaun gebaut werden. Zudem sei seit Längerem eine Renaturierung geplant, der Kanal soll also wieder zum natürlichen Wildbach werden.  «Auf lange Sicht sehen wir gute Chancen, dass dieser Kanal wieder zurückgebaut und renaturiert wird», so Bisculm. Dieses Projekt stehe im Zusammenhang mit dem Wasserkraftwerk Chlus. Werde dieses Projekt realisiert, brauche es das Wasserkraftwerk der Papierfabrik Landquart nicht mehr und werde ausgeschaltet. «Dann wird dort weniger Wasser fliessen und es steht der Renaturierung nichts mehr im Weg.» Damit würden Bilder von ertrinkenden Hirschen für immer der Vergangenheit angehören.

Auch in der Community der Südostschweiz sorgte dieses Thema für grosses Echo. In den Kommentaren wurde zudem mehrmals auf einen fehlenden Zaun hingewiesen. 

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Leider wird hier nur immer wieder von Wildtieren gesprochen!
Im letzten Jahr wurde ein Hund durch den Überlauf gespühlt und starb durch den Aufprall an den im Kanal eingelassenen Betonsockeln (soll das Gewässer beruhigen, laut den Spezialisten) .
Wenn man die Wassermengen mal gesehen hat, die durch diesen kleinen Kanal schießen, kann sich jeder vernünftige Mensch ausmalen wie das ausgeht, wenn man da reinfällt.
Bis dato ist nach unserem Wissen noch kein Mensch in diesem Gewässer zu Tode gekommen! Dies zu verhindern wäre sicherlich absolute Priorität!
Ich persönlich war an dieser Hundesuche in diesem Bach tätig.
Trotzt diverser Bemühungen unsererseits (Tierambulanz Chur, und Mountain dog) wurde uns mitgeteilt, dass man den Bach nicht trocken legen könne, nur um einen Hund zu suchen!
Erst nach mehreren Tagen, und dem Eingreifen anderer Helfer, konnten wir die zuständige Firma dazu bewegen, diesen Mühlbach zu reduzieren, damit wir das Tier finden konnten. Was dann auch gelang. Leider konnte der Hund nur noch tot geborgen werden.
Zuviel Wasserkraft, schlechte Absicherungen und Firmen, welche einfach nur die Renditen im Auge hatten, waren die Ursache für den tragischen Tod von Simba!
Eine Einzäunung des Mühlbachs wurde trotz unserer Intervention damals und dem Gespräch mit den Verantwortlichen, nicht verwirklicht! ZU TEUER, DIES, UND ZU TEUER DAS!
Wir von der Tierambulanz Chur, sind gerne bereit mit ensprechendem Bildmaterial, und unserem Wissen über dieses Gewässer und dessen Gefahrenquellen, mit den Verantwortlichen zusammen zu arbeiten!
Wir hoffen das endlich was geschieht! Und nicht nur irgend was, sondern das Richtige!
Danke an alle Helfer
Tierambulanz Chur
Guido Gyssler

SO-Reporter

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