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«Wir mussten kämpfen»

Leonie Liesch ist die erste Frau auf dem Posten der Direktorin von Chur Tourismus. Die Herausforderung meistert sie mit Bravour. Grund genug, sie zur «Bündner Persönlichkeit 2021» zu nominieren.

13.01.22 - 04:30 Uhr
Ereignisse
Eine Pionierin: Leonie Liesch ist seit 2012 Direktorin von Chur Tourismus – als erste Frau überhaupt.
Eine Pionierin: Leonie Liesch ist seit 2012 Direktorin von Chur Tourismus – als erste Frau überhaupt.
BIld Olivia Aebli-Item

Sie kennt die Stadt Chur wie ihre eigene Hosentasche. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass Leonie Liesch seit fast zehn Jahren die Chur Tourismus AG leitet. Dabei waren besonders die letzten beiden Jahre eine grosse Herausforderung. Aber: Ihr Team trotzte der Pandemie und brachte neue Produkte auf den Markt.

Frau Liesch, wie geht es Ihnen?

Leonie Liesch: Gut. Zum Jahresende wurde es noch einmal streng, der Jahresabschluss stand an. Mit den Gedanken war ich aber bereits im neuen Jahr, da das neue Jahr wieder viel Spannendes bringen wird.

Wie sehen Ihre Gedanken zum 2022 aus?

Es wird erneut ein sehr herausforderndes Jahr. Im Rahmen unserer Möglichkeiten, werden wir aber wieder versuchen, das Beste aus der Situation zu machen.

Wie haben Sie das Jahr 2021 erlebt?

Leider ebenfalls sehr herausfordernd. Wir mussten ziemlich kämpfen.

Um was?

Nun, wir mussten uns einerseits um unsere Gäste bemühen, welche coronabedingt oft umgebucht oder gar ganz storniert haben, andererseits aber auch ums Gelingen und Umsetzen von Projekten mit einer grossen Planungsunsicherheit. Das hat uns sehr gefordert. Es gab aber auch Highlights im 2021.

Nennen Sie mir ein Beispiel.

Da fällt mir als Erstes das Big Air in Chur ein. Das hat Chur auf eine internationale Bühne gehoben. Das war toll. Die Organisation und die Zusammenarbeit mit dem Veranstalter haben mir ausserordentlich viel Spass gemacht. Aber auch, dass wir erst kürzlich ein Kulturportal zusammen mit der Stadt Chur lancieren konnten, ist für mich ein Highlight. Ein Meilenstein, für den wir viele Jahre Arbeit investiert haben. Auch die im März lancierte Gästekarte zählt zu meinen Highlights – dass das alles trotz der Pandemie geklappt hat, macht es noch bedeutender.

Wie hat sich die Pandemie konkret auf Ihre Arbeit ausgewirkt?

In erster Linie finanziell. Wir wussten nie genau, wie viel uns das alles kosten wird und wo wir noch überall Ertragsausfälle verzeichnen müssen. Da mache ich mir schon oft Sorgen –wie werden die Zahlen Ende Jahr aussehen?

Wie werden die Zahlen aussehen?

Es wird sicher einen Verlust geben. Als Non-Profit-Verein hat man keine grossen Rücklagen. Ich trage ja die Verantwortung nicht nur für mich, sondern auch für meine Mitarbeitenden. Unser Team hat dieses Jahr alles gegeben und extrem tolle Arbeit geleistet. Ich möchte keinen Passagier auf diesem Schiff verlieren. Das Team ist das kostbarste Gut.

Sie sprechen von potenziellen Entlassungen in Ihrem Team?

Diese Gefahr bestand. Zum Glück konnten wir immer Lösungen finden, um dies abzuwenden. Dadurch, dass Buchungen nicht einfach mehr reinkamen und dann über die Bühne gingen, sondern oft verschoben und dann abgesagt wurden, hatten wir einen enormen Mehraufwand. Und weniger Einnahmen. Der Druck von aussen blieb ja trotzdem bestehen. Da ist es mir wichtig sicherzustellen, dass es trotzdem jeder einzelnen Person gut geht.

Wie stellen Sie das sicher?

Diese Frage müsste man fast meinem Team stellen (lacht). Ich probiere meine Leute so zu führen, wie ich selber auch gerne geführt werden möchte. Ich hoffe, dass ich das gut mache. Mein Team besteht aus vielen langjährigen, treuen Mitarbeitenden. Das könnte ein Zeichen dafür sein, dass ich es nicht ganz verkehrt
mache.

Wie gross ist denn Ihr Team?

Relativ bescheiden. Mit mir sind es zehn Personen. Was aber nicht zu vergessen ist: Wir haben das Stadtführer-Team, das zwar nicht bei uns im Büro arbeitet, aber ein sehr wichtiges Aushängeschild für uns darstellt. Die Stadtführerinnen und Stadtführer gehören genauso zum Team. Auch für sie versuche ich ein offenes Ohr zu haben und sicherzustellen, dass ihr Wissen über Chur stets auf dem neusten Stand ist.

2022 feiern Sie ein Jubiläum. Dann sind Sie bereits seit zehn Jahren Direktorin von Chur Tourismus. Wie werden Sie feiern?

Ehrlich gesagt, habe ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht. In den letzten paar Wochen wurde es mir aber immer bewusster, dass der 1. März, mein Jubiläum, näher rückt. Das gab mir Anlass, mal in den Spiegel zu schauen, um zu sehen, welche Falten in den letzten zehn Jahren dazukamen.

Kamen welche dazu?

Die eine oder andere, ja. Ich bin sehr dankbar, einen Job machen zu dürfen, der mir Freude bereitet. Ob ich das Jubiläum deswegen feiere, weiss ich aber noch nicht.

«Männer glauben schon oft, dass wir Frauen uns das einbilden. Es ist aber Tatsache, dass man als Frau oft eine Extra-Meile gehen muss.»

Wenn Sie auf die letzten zehn Jahre zurückblicken, was ist Ihnen am meisten geblieben?

Wie bereits erwähnt, das beständige Team. Aber auch die Finanzen – bis auf das Jahr 2021 konnten wir jedes Jahr mindestens mit einer schwarzen Null abschliessen. Auch auf die Stadtführungen bin ich stolz. In Jahren ohne Pandemie haben wir mittlerweile über 1000 Buchungen.

Haben Sie diese Stadtführungen selber auch schon absolviert?

Ja, jede einzelne. Keine Stadtführung kommt auf den Markt, ohne dass ich sie ausprobiert habe. Das ist mir sehr wichtig. Auch das «Urban Golf» haben wir im Team zuerst getestet.

Welches ist Ihre liebste Stadtführung?

Das ist schwierig. Ich mag die «Zuckerbäckerführung» sehr. Aber auch die neue Theaterführung hat es mir angetan. Aber ehrlich gesagt, wechselt das sehr oft. Im Winter mag ich die Führungen zu den alten Sagen.

Sie sind die erste Frau auf Ihrem Posten als Direktorin von Chur Tourismus. Wie oft müssen Sie die bekannte «Extra-Meile» gehen, halt einfach, weil Sie eine Frau sind?

Das mit der Extra-Meile kommt vor, ja. Das erlebe ich immer wieder. Männer glauben schon oft, dass wir Frauen uns das einbilden. Es ist aber eine Tatsache, dass man als Frau oft eine Extra-Meile gehen muss. Es gibt aber auch die andere Seite. Frau sein, kann auch eine Chance bedeuten. Ich finde wichtig, dass man daran gemessen wird, was man kann. Egal ob Mann oder Frau.

Hat sich in den letzten zehn Jahren etwas getan in dieser Hinsicht?

Nein, das ist unverändert geblieben.

Wann fällt Ihnen das bewusst auf?

Wenn eine Gruppe gebildet werden muss, und man bewusst Wert darauf legt, das Gleichgewicht zwischen Mann und Frau zu halten.

Blicken wir in Ihr Privatleben. Wie hat die Pandemie Sie privat beschäftigt?

Wenn ich es auf mich und meinen Mann runterbreche, der beruflich auch sehr eingespannt ist, dann läuft es auf die Zeit hinaus. Wir hatten plötzlich viel mehr Zeit füreinander, da die Abendtermine ausblieben. Das haben wir sehr geschätzt. Mein Mann arbeitet im Gesundheitswesen, er ist beruflich von der Pandemie noch stärker betroffen als ich im Tourismus. Die gemeinsame Zeit gewann so auch an Wert.

Wie verbringen Sie Ihre freie Zeit?

Das ist ganz unterschiedlich. Manchmal geniesse ich es einfach, zu Hause zu sein. Im Sommer verbringe ich Zeit im Garten und wir grillieren gerne. Auf dem Golfplatz sind wir auch ab und zu anzutreffen. Im Winter ist Ski fahren etwas, das mein Mann und ich gerne machen. Mit einer guten Freundin habe ich nun auch den Langlauf für mich entdeckt.

Das Skifahren ist in Graubünden ein wichtiges Thema. Jedes Jahr kämpft der Kanton trotz Pandemie verbissen darum, die Pisten offen zu halten. Selbst dann, wenn auf den Intensivstationen eigentlich kein Platz mehr für Skiunfälle wäre. Warum?

Der Wintertourismus ist für die Bündner Wirtschaft enorm wichtig. Darauf können wir nicht einfach verzichten. Der Kanton Graubünden hat bisher bewiesen, dass wir mit den bestehenden Massnahmen die Pandemie gut bewältigen können. Klar, die Situation ist eine ausserordentliche, besonders mit Blick auf die Intensivstationen und das ausgelastete Pflegepersonal. Natürlich mache ich mir da auch Gedanken, ob diese Situation den Wintertourismus zulässt. Aber ich vertraue auf unsere Politiker. Und die haben entschieden, dass der Wintertourismus stattfinden darf. Hoffen wir, dass wir den Winter gut und gesund überstehen.

Wer ist die «Bündner Persönlichkeit 2021»

Die «Südostschweiz» Medienfamilie sucht wieder die Bündner Persönlichkeit des Jahres. Für 2021 nominiert sind Bischof Joseph Maria Bonnemain, Künstlerin Miriam Cahn, Kantonsärztin Marina Jamnicki, die Churer Tourismusdirektorin Leonie Liesch und Kinderchirurg Martin Meuli.

Leonie Liesch interessierte sich bereits als Kind für den Tourismus. Ursprünglich plante sie in die Hotellerie zu gehen, entschied sich dann aber doch für die Tourismusfachschule. Damals lebte Liesch noch im Kanton Wallis, wo sie ihre Ausbildung absolvierte. Bei der Wander AG, bei welcher sie ihr Praktikum absolvierte, konnte sie erstmals Tourismus-Luft schnuppern.

Interviews und Voting-Infos: www.suedostschweiz.ch/bpj

Mara Schlumpf ist Redaktorin und Chefin vom Dienst bei «suedostschweiz.ch». Ursprünglich kommt sie aus dem Aargau, hat ihr Herz aber vor einigen Jahren an Chur verschenkt. Mehr Infos

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