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Indigene und andere Gestalten

«Was macht Davos ohne WEF?», scheint die zurzeit in den ­Medien am häufigsten gestellte Frage zu sein. Nun ganz einfach: Während die WEF-Jahrestagung online vonstattengeht, reflektiert Davos das WEF.  Oder zumindest das Drumherum.

Barbara
Gassler
23.01.22 - 18:08 Uhr
Kultur
Jules Spinatsch mit Pius Tschumi, dem Projektleiter der fotografischen Installation.
Jules Spinatsch mit Pius Tschumi, dem Projektleiter der fotografischen Installation.
Bild: zVg/Johannes Frigg

Als sich Davos 2020 unwissend zum vorläufig letzten Mal für das Jahrestreffen des World Economic Forums rüstete, mischte sich der Davoser Fotograf Jules Spinatsch unter die Beobachter. Seine Impressionen von damals verarbeitete Spinatsch in dem fast 300-seitigen Fotobuch «Davos is A Verb», dem die jetzt laufende Ausstellung gewidmet ist. Es kommt gänzlich ohne Text aus, nur ­gerade die letzten Seiten verraten, wo die fremd anmutenden Bilder im vertrauten Strassenbild anzusiedeln sind. «In Davos verwandeln sich für kurze Zeit rund 60 Prozent der Hauptstrasse», sagte der Fotokünstler anlässlich der Vernissage vom Dienstag im Kulturplatz. Davos ­werde in dieser Zeit zu einer riesigen kommunikativen Plattform. «Und ich wurde zu einer Art Reiseführer durch ­diese Zeit.»

Jules Spinatsch (l.) und Andreas Lutz bei der Fotobuch-Lesung.  Bild: zVg/Johannes Frigg
Jules Spinatsch (l.) und Andreas Lutz bei der Fotobuch-Lesung. Bild: zVg/Johannes Frigg
Bild: zVg/Johannes Frigg

Ein hochwillkommener Anlass

«Das WEF wurde abgesagt, die Kultur findet statt», sagte Ute Haferburg, Geschäftsführerin des Kulturplatzes, als sie den Künstler nach rund zwanzig Jahren wieder in seiner Heimatstadt begrüsste. Dieses Thema nahm Landammann ­Philipp Wilhelm auf, als er in seiner ­Begrüssung feststellte, man habe als Gemeinschaft den Arkadenplatz geschaffen und sei jetzt neugierig und hoffnungsfroh auf die Zukunft. Dadurch werde man ­bestätigt und ermuntert, das kulturelle Potenzial von Davos weiter auszuloten und neue Impulse zu geben. Bezüglich Spinatschs Ausstellung meinte er, jetzt – da die weltweite Aufmerksamkeit nicht auf Davos ruhe – würden jene, die trotzdem hier seien, die Gelegenheit haben, sich selbst zu reflektieren: «Was macht die Aufmerksamkeit der Welt mit uns?» Dafür sei Spinatschs Fotoinstallation «Planetary Upgrade Piazza. Davos is A Verb» ein hochwillkommener Anlass.

Kein neuer Tanz, sondern das Bestreben, einen der Würfel nach draussen zu bugsieren.
Kein neuer Tanz, sondern das Bestreben, einen der Würfel nach draussen zu bugsieren.
Bild: zVg Johannes Frigg

Vorlage für tiefgründige Spinnereien

Eine Möglichkeit dieser Reflexion zeigte der Comedykünstler Andreas Lutz alias Dr. Lüdi dem Vernissage-Publikum. Er interpretierte, kommentierte und sezierte die lustige Budenstadt, wie er sie nannte. «Betrachte ich die pseudo-Engadiner Hausfassade, möchte ich bereits ein ­erstes Mal sterben», kommentierte Dr. Lüdi pointiert. «Huawei miteinander», hiess es ein paar Bilder weiter. «Das ist der Name eines koreanischen Auto­herstellers oder der generell asiatische Ausruf beim Sackgriff im Judo.» Es könnte gegoogelt werden, die Wahrheit aber würde langweilen, platzierte er erbarmungslos in die Lacher hinein. Zum Bild zweier chromglänzender Luxuskarossen ergänzte er trocken: «Black Rock ist ­übrigens der Name eines isländischen Lava-Badezimmer-Anbieters.» Wegen des De-facto-Lokalkolorits würden der Veranstalter den Indigenen erlauben, ihre Blasrohre zu verkaufen, fiel ihm zu einem Souveniershop ein. Ein paar Bilder weiter wird der Schaufensterrahmen zu einem Terrarium für Frantisek, Pavel und Dusan umgedeutet, ein zufälliges ge­bildetes Kreuz interpretiert Dr. Lüdi zu einer Passionsszene um.

Für die Ausstellung wurden Bilder aus Spinatschs Buch als Textildruck auf ­stabile Würfel aufgezogen. «Es ist das gleiche Material, das auch für Messen verwendet wird. Die Messebauer waren unheimlich froh, mindestens unseren Auftrag ausführen zu können», kommentierte Spinatsch. Diese Würfel liegen nun bis zum 6. März auf dem Arkaden- und Kulturplatz, wo sie nach Belieben ­bestaunt, gestapelt, neu arrangiert oder als Sitzgelegenheiten genutzt werden können. In einer erneut von Dr. Lüdi kommentierten Finissage sollen die ­Würfel dann «besitzbar» werden.

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