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«Prinzessin» - Unwillkürliche Lebensretter

Heute startet «Prinzessin» des Zürcher Regisseurs Peter Luisi in den Deutschschweizer Kinos. Das intime Drama erzählt von der heilenden Beziehung eines alkoholkranken Mannes zu seiner kleinen Nichte.

Agentur
sda
27.01.22 - 08:00 Uhr
Kultur
Die kleine Nina (Lia Hahne) sieht in ihrem alkoholkranken Onkel Josef (Fabian Krüger) nicht die Sucht, sondern den Menschen. Dafür wird er sich Jahre später revanchieren.
Die kleine Nina (Lia Hahne) sieht in ihrem alkoholkranken Onkel Josef (Fabian Krüger) nicht die Sucht, sondern den Menschen. Dafür wird er sich Jahre später revanchieren.
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Josef lallt, Josef stinkt, Josef ist unrasiert – aber die vierjährige Nina mag ihren komischen Onkel: Er hat Fantasie, nimmt sich Zeit für sie und nimmt sie mit auf Abenteuer. Es ist eine ungewöhnliche Freundschaft, die sich zwischen dem alkoholkranken Josef und seiner kleinen Nichte Nina entwickelt. Auch Ninas alleinerziehende Mutter (Anne Haug) steht der Annäherung der beiden nach anfänglicher Skepsis immer positiver gegenüber. Dass es früher oder später zur Katastrophe kommen muss, ist leider vorhersehbar.

Regisseur Peter Luisi nähert sich seinen Figuren mit viel Feingefühl und versammelt in seinem neuen Spielfilm «Prinzessin» ein grossartiges Schauspielensemble. Hervorzuheben ist besonders auch Lia Hahne, die Nina spielt, und beim Dreh knapp vier Jahre alt war. Nina ist der Gegenpol zum desillusionierten Josef: ihre neugierige, unvoreingenommene und lebensfrohe Art fängt Kameramann Ramòn Giger fast schwebend und zuweilen märchenhaft ein.

Keine Alkoholiker-Klischees

Schauspieler, die Alkoholiker spielen, das ist oft eine Gratwanderung. Zu übertrieben die Gestik, zu schwankend ihr Gang. Dass es auch anders möglich ist, zeigte kürzlich der Film «Druk» des dänischen Regisseurs Thomas Vinterberg, der die Auswirkung des Alkohols auf die Gesellschaft anhand eines Experiments unter vier Freunden beleuchtet. Mit täglich 0,5 Promille, so die Devise, lebt es sich mutiger, kreativer, leichter.

Die Darstellung der Schauspieler, allen voran Mads Mikkelsen, verkommt auch in den betrunkensten Momenten nie zur Farce, sie schaffen es, die unterschiedlichen Stufen des Betrunkenseins lebensecht darzustellen. Auch der Theater- und Filmschauspieler Fabian Krüger, mit dem Luisi bereits in seiner surrealen Komödie «Der Sandmann» zusammengearbeitet hat, verkörpert Josef in «Prinzessin» absolut glaubwürdig.

Nie verheddert er sich in Alkoholiker-Klischees. Man nimmt ihm sowohl das alles bestimmende Verlangen nach dem Stoff, wie auch das Angewidertsein von sich selbst am Tag danach, ab. Krüger ist in einer Szene bemitleidenswert, in der nächsten will man ihn wachrütteln, damit er sich endlich zusammenreisst, er hätte ja jetzt mit Nina, so glaubt man, einen Grund dafür, sich dem Leben zu stellen.

Unnötiger Schlenker in die Ukraine

Der Zürcher Regisseur, der bisher eher auf Komödien spezialisiert war («Flitzer», «Verflixt Verliebt»), wagt sich in seinem neuen Film an ein ernstes und trauriges Thema. Trotzdem macht die Geschichte auch Hoffnung. Inspiriert hätten ihn unter anderem die Erkenntnisse der «Positive Psychology», sagt er im Gespräch mit dem Filmverleih: «dass Menschen oft Heilung erfahren, indem sie ihr Leben einer grösseren Aufgabe unterordnen». Im Fall von Josef lautet diese Aufgabe, die Verantwortung für einen anderen Menschen zu übernehmen.

Im zweiten Teil des Films, der 35 Jahre später angesiedelt ist, kommt es zur Umkehrung: Josef konnte seine Sucht überwinden, jetzt ist es Nina, die seine Hilfe braucht. Sie ist drogensüchtig, sitzt in einem Gefängnis in der Ukraine fest und hat den Kontakt zu ihrer Familie verloren. Ihr Onkel setzt alles daran, sie dort herauszuholen, schliesslich hat auch sie ihm einst unbewusst das Leben gerettet.

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