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Lieber ein innovatives Vorbild, als ein verstaubtes Abbild

Podien werden häufig nur mit Männern besetzt. Manchmal auch nur mit Frauen, wie Reto Furter, Leiter Medienfamilie Südostschweiz, am 29. Juni in einer Stellungnahme erklärt. Neugierig recherchierte ich. Tatsächlich: Die «Standpunkte»-Sendung vom März zum Thema Palliativpflege war ausschliesslich mit Frauen besetzt. Es geht typischerweise um Pflege, zum Beispiel am Lebensende. Da haben also Frauen was zu sagen. Nicht so in den Standpunktsendungen zu Tourismus, Geld, Gott, Jagd, Gehirnforschung, Nationalratswahlen, Wirtschaft & Ethik oder Musikszene. Da waren jeweils nur Männer auf dem Standpunkte-Podium. Ich forsche weiter und finde auch ein gemischtes Podium zum Thema Sexualität im Internet. Ein Sexualpädagoge und ein Schulleiterverbandspräsident sind zu hören - und eine Frau. Ihr Beruf: Pornodarstellerin. Die Südostschweiz erklärt, dass Gesprächspersonen aufgrund von «Funktion, Tätigkeit und Verantwortung» gewählt werden. Drum sei es halt «ein Abbild der aktuellen Realität» wenn öfters mal nur Männer auf einem Podium sitzen. Was hier so bestechend einfach daherkommt, ist kein Abbild der Realität, sondern ein doch über weite Strecken verstaubtes und zum Glück vom Aussterben bedrohtes Bild der Frau als palliativ pflegende Heilige oder Hure. Werdet zum innovativen Vorbild und medial zur Vorreiterin, damit auch Frauen sich angesprochen fühlen, schliesslich machen sie 50% der potenziellen Leserinnenschaft aus.
Paola Giovanoli, Malans

Paola Giovanoli
03.07.20 - 23:11 Uhr
Leserbrief
Ort:
Chur
Zum Artikel:
Stellungnahme Reto Furter zum Thema Männerpodium
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Bei politischen Talkshows nehmen oft die gleichen bekannten Persönlichkeiten teil. Ihre Meinungen kennt man bereits. Überraschungen gibt`s selten. Ich habe oft den Eindruck, dass es bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit in erster Linie nicht um Information geht sondern um Propaganda fuer ihre Partei und v.a. die eigenen Person. In der Tat scheint eine negative Korrelation zwischen Bekanntheit eines Politikers und ihre/seine Präsenz während den Abstimmungen in den parlamentarischen Sessionen zu bestehen. Offensichtlich ist Multitasking nicht eines der Forte von guten Selbstdarstellern.
Ob Regierung, Forschung oder Wirtschaft - ich verstehe nicht, weshalb oft der ranghöchste Chef eingeladen wird und nicht die Person, die für ein bestimmtes Amt, Ressort oder Abteilung verantwortlich und auch darauf spezialisiert ist. Man bekommt den Eindruck, dass ein Einzelindividuum jede Entscheidung trifft, was Micromanagement wäre. Eine Einladung kann auch, falls gestattet, an Mitarbeitern weitergegeben werden, was deren Motivation fördern würde.
Aber bei solchen Events geht es in erster Linie um Einschaltquoten und dafür haben die stillen Schaffer vielleicht nicht den nötigen Glamour. Vielleicht ist es auch ein Gütezeichen, wenn man nicht eingeladen wird (oder sich einladen lässt). Wie Groucho Marx (ironisch) zu sagen pflegte: „Ich mag keinem Club angehören, der mich als Mitglied aufnimmt.“