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Haushoher Sieg für Tories - Johnson will Brexit Ende Januar

Der britische Premierminister Boris Johnson hat mit seinem haushohen Sieg bei der Parlamentswahl alle Erwartungen übertroffen - und wird den EU-Austritt seines Landes nun vollziehen. Oppositionsführer Jeremy Corbyn kündigte seinen Rückzug auf Raten an.

Agentur
sda
13.12.19 - 13:53 Uhr
Politik

«Wir werden den Brexit bis zum 31. Januar vollenden, kein Wenn, kein Aber und kein Vielleicht», sagte Johnson am Freitag vor jubelnden Anhängern in London. Ein zweites Brexit-Referendum sei vom Tisch.

Er werde das Land einen, betonte Johnson. Er beendete seine Rede mit einem Wortspiel über die ähnlich klingenden Wörter Brexit und Breakfast (Frühstück): «Lasst uns den Brexit hinter uns bringen, aber lasst uns erstmal das Frühstück hinter uns bringen.» Die Briten hatten im Sommer 2016 mit knapper Mehrheit für den Brexit gestimmt.

Bis Freitagmorgen waren 649 der 650 Wahlkreise ausgezählt. 364 gingen davon an die Konservativen, die damit 47 Sitze hinzugewannen und die absolute Mehrheit erzielten. Labour verlor 59 und kam auf 203 Sitze, die SNP legte 13 Sitze auf 48 zu und die Liberaldemokraten verloren einen Sitz auf elf. Die anderen Sitze entfielen auf kleinere Parteien.

Nur das Ergebnis aus St. Ives im Südwesten Englands fehlte. Zu dem Wahlkreis gehören mehrere Inseln, von denen die Wahlzettel wegen schlechten Wetters zunächst nicht in die Auszählungszentrale gebracht werden konnten. Der Wahlkreis wurde bislang von einem Konservativen vertreten.

Oppositionsführer Jeremy Corbyn erkannte die Niederlage von Labour an und kündigte seinen Rückzug von der Partei nach einer Übergangsphase an. Labour kommt nach den Berechnungen der BBC auf insgesamt noch 199 Mandate - das wäre ein historisch schlechtes Ergebnis.

Johnson holte sich von Königin Elizabeth II. am Freitagvormittag formell die Erlaubnis zur Bildung einer neuen Regierung. Das vertrauliche Gespräch im Buckingham-Palast dauerte mehr als eine halbe Stunde.

Spekulationen über Unabhängigkeitsreferendum

In Schottland räumte die Schottische Nationalpartei ab, was Spekulationen über ein möglicherweise neues Unabhängigkeitsreferendum befeuerte. SNP-Chefin Nicola Sturgeon kündigte an, für ein zweites Unabhängigkeits-Referendum zu kämpfen. «Boris Johnson hat erstens kein Recht, Schottland aus der EU zu nehmen, und zweitens kein Recht zu verhindern, dass das schottische Volk über seine eigene Zukunft bestimmt», sagte die schottische Regierungschefin.

Die Chefin der Liberaldemokraten, Jo Swinson, verlor in einer für ihre Partei enttäuschenden Wahlnacht ihr Mandat und trat zurück. Das Amt der 39-jährigen übernehmen zunächst ihr Stellvertreter Ed Davey und die Parteipräsidentin Sal Brinton, wie die Partei mitteilte.

Neue Wahlen zum Parteivorsitz fänden im kommenden Jahr statt. Swinson hatte ihren Sitz in Dunbartonshire East in Schottland an die Kandidatin der SNP verloren. Die Liberaldemokraten wollten die Wahl mit dem Versprechen gewinnen, den Brexit abzublasen.

EU hofft auf Klarheit

EU-Ratschef Charles Michel hofft im Ringen um den Brexit auf schnelle Klarheit. «Wir erwarten die Abstimmung des britischen Parlaments über das Austrittsabkommen so schnell wie möglich», sagte Michel vor dem zweiten Tag des EU-Gipfels in Brüssel.

Johnson wollte über das Brexit-Abkommen noch vor Weihnachten abstimmen lassen. Es wurde in London erwartet, dass dies am Samstag in einer Woche (21. Dezember) sein könnte. Einen offiziellen Termin dafür gibt es noch nicht. Eine Zustimmung gilt als sicher.

Staats- und Regierungschefs aus aller Welt gratulierten Johnson. Insbesondere US-Präsident Donald Trump zeigte sich begeistert von dem «grossartigen Sieg».

«Grossbritannien und die Vereinigten Staaten werden nun nach dem Brexit frei sein, ein riesiges Handelsabkommen zu schliessen», twitterte Trump. «Dieser Deal hat das Potenzial, weitaus grösser und lukrativer zu sein als jeder Deal, der mit der EU geschlossen werden kann», schrieb Trump weiter. «Feiert Boris!»

Johnson war ähnlich wie Trump mit einem populistisch geführten Wahlkampf angetreten. Beide Politiker stehen sich nahe. Grossbritannien und die USA wollen ein gemeinsamen Handelsabkommen abschliessen, sobald Grossbritannien aus der EU ausgetreten und nicht mehr an EU-Regelungen gebunden ist.

Kritiker befürchten, dass ein solches Abkommen stark liberalisiert sein könnte und auch als sinnvoll erachtete Regulierungen der EU - etwa bei Finanzdienstleistungen oder in der Landwirtschaft - zurückfahren wird.

Schweiz ist vorbereitet

Dem Austrittsabkommen zufolge soll das Land bis Ende 2020 in einer Übergangsphase bleiben. Bis dahin will Johnson einen Vertrag über die künftigen Beziehungen mit der Staatengemeinschaft aushandeln. Die Zeit dafür gilt jedoch als denkbar knapp. Eine Verlängerungsoption um bis zu zwei Jahre, die noch bis Juli 2020 möglich ist, hat der Premier ausgeschlossen. Sollte kein Anschlussabkommen zustande kommen, droht Ende kommenden Jahres wieder ein No-Deal-Szenario.

Die Schweiz hat für einen baldigen Brexit mit oder ohne Abkommen vorgesorgt. Der Bundesrat bereitete sich mit der «Mind the Gap»-Strategie und sieben Abkommen mit Grossbritannien frühzeitig vor. Mit diesen will die Landesregierung die bestehenden Rechte und Pflichten über den Brexit hinaus erhalten. Somit dürfte sich für Schweizer in Grossbritannien und für Schweizer Unternehmen praktisch nichts ändern.

Denkbar wenig Zeit für Verhandlungen

Dem Austrittsabkommen zufolge soll das Land bis Ende 2020 in einer Übergangsphase bleiben. Bis dahin will Johnson einen Vertrag über die künftigen Beziehungen mit der Staatengemeinschaft aushandeln. Die Zeit dafür gilt jedoch als denkbar knapp.

Eine Verlängerungsoption um bis zu zwei Jahre, die noch bis Juli 2020 möglich ist, hat der Premier ausgeschlossen. Sollte kein Anschlussabkommen zustande kommen, droht Ende kommenden Jahres wieder ein No-Deal-Szenario.

Die Briten hatten 2016 in einem Referendum mit knapper Mehrheit für den EU-Austritt gestimmt. Nach zähen Verhandlungen konnte Johnsons Vorgängerin Theresa May im November 2018 ein Austrittsabkommen vorlegen.

Doch die anschliessende Ratifizierung im britischen Parlament scheiterte. Nicht zuletzt, weil ihre Regierung seit der vergangenen Wahl 2017 keine eigene Mehrheit mehr hatte. Der Brexit wurde mehrmals verschoben, May musste schliesslich zurücktreten.

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