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Jetzt hat Graubünden Finanzplan und Regierungsprogramm

Das erste grosse Geschäft des Bündner Parlaments an der laufenden Februarsession war das Regierungsprogramm 2021 bis 2024. Die für Dienstag eingeplante Teilrevision des Energiegesetzes wird erst am Mittwoch debattiert. Wir tickern wie gewohnt die wichtigsten Ergebnisse und das Geschehen rund um den Grossen Rat für Euch.

Philipp
Wyss
11.02.20 - 18:33 Uhr
Politik

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Ticker

Grosser Rat des Kantons Graubünden
Feature aus der Februarsession des Grossen Rates.
PHILIPP BAER

Am zweiten Tag der Februarsession hat der Bündner Grosse Rat:

  • Das Regierungsprogramm und den Finanzplan 2021 bis 2024 diskutiert.
  • Eine Anfrage zur Vergabepraxis beim Kanton behandelt.

Die Session wird am Mittwoch ab 8.15 Uhr fortgesetzt. Die Debatten sind öffentlich. Wie bei jeder Session tickern wir auch von der Februarsession für Euch.

Das Unterkunftsprovisorium Konvikt Chur.
Das Unterkunftsprovisorium Konvikt Chur.
ARCHIV

Alles grün bei der kantonalen Vergabepraxis – oder doch nicht?

Zum Abschluss des zweiten Tages der Februarsession wird die Anfrage von Philipp Wilhelm (SP, Davos) betreffend Vergabepraxis beim Kanton beantwortet. In den vergangenen fünf Jahren hat der Kanton in 188 Fällen Aufträge im freihändigen Verfahren vergeben, obschon der im Submissionsgesetz festgelegte Schwellenwert für eine freihändige Vergabe jeweils überschritten war, schreibt Wilhelm in seiner Anfrage. Die Regierung beteuert zwar, dass die entsprechenden Ausnahmebestimmungen nur zurückhaltend angerufen würden und nur in besonderen Fällen zur Anwendung kommen. Zwischen dieser Aussage und der enorm hohen Anzahl Fälle liegt aber eine grosse Diskrepanz. Im Fall der Konviktprovisorien konnte die Regierung bisher nicht glaubhaft darlegen, dass das gewählte Vorgehen einer Direktvergabe rechtens war. Das verlangt saubere Aufklärung. Denn die Bestimmungen des Submissionsgesetzes sollen den Wettbewerb und einen haushälterischen Umgang mit den Steuergeldern fördern.

In ihrer Antwort schrieb die Bündner Regierung, dass die internationalen und nationalen Beschaffungsvorschriften vorsehen, dass ausnahmsweise das freihändige Verfahren auch unabhängig vom Auftragswert zur Anwendung gelangen kann, wenn gesetzlich genau umschriebene Voraussetzungen vorliegen. Von den 188 freihändig erteilten Kantonsaufträgen der Jahre 2014 bis 2018 befinden sich 66 Vergaben in den nachgefragten Kostenkategorien. Eine tabellarische Aufstellung dieser Kategorien und eine Auflistung aller 188 Kantonsaufträge findet sich auf der Website des BVFD in der Rubrik «Beschaffungswesen». Der Kanton wird künftig die gestützt auf diese Ausnahmebestimmung von ihm erteilten Aufträge in der jährlichen Vergabestatistik zusätzlich einzeln aufführen.

Weiter hat die Regierung den Vergaberechtsexperten Stefan Scherler aus Winterthur beauftragt, im Rahmen eines Kurzgutachtens die Rechtmässigkeit des Vorgehens bei der Beschaffung der Konviktprovisorien zu überprüfen. Dieses Kurzgutachten ergab folgende Schlussfolgerung: Obwohl vergaberechtlich ein anderes Vorgehen zur Beschaffung der Konviktprovisorien hätte in Betracht gezogen werden können, hat die Regierung die «erweiterte Auftragsvergabe» im Sommer 2017 explizit in die Objektkreditvorlage aufgenommen. Ferner heisst es im Gutachten, dass der Grosse Rat in der Junisession 2017 dem Geschäft mit deutlichem Mehr zugestimmt hat. Nicht zufrieden und aus dem Gutachten einen anderen Schluss gezogen, hat Anfragesteller Wilhelm: «Wir haben in der Vergangenheit viel über die Glaubwürdigkeit gesprochen. Heute Abend haben wir nichts für die Glaubwürdigkeit Graubündens getan.»

Eine Regierung, die Recht gebrochen hat, sollte nicht noch vom Parlament gestützt werden», sagt Wilhelms Parteikollege Lukas Horrer (SP, Chur). Und weiter: «Reissen Sie sich zusammen, im Interesse Graubündens.» Und auch Bruno W. Claus (FDP, Chur) schliesst sich der SP an. «Ausnahmsweise bin ich heute auf Ihrer Seite.» Das Vorgehen verurteilt Reto Loepfe (CVP, Rhäzüns). «Wir behandeln hier keinen Auftrag, sondern die Regierung beantwortet eine Anfrage, ich war nahe daran einen Ordnungsantrag zu stellen. Ich bagatellisiere das nicht, ich fordere die Regierung auch auf, sich an das Gesetz zu halten. Aber ich bitte Euch, Euch zurückzunehmen. Herzlichen Dank.» Wilhelm sagt abschliessend, dass er froh um die Wortmeldungen sei und dankt Claus und Loepfe dafür. Regierungsrat Mario Cavigelli (CVP, Domat/Ems) möchte zwei Dinge auseinanderhalten; die geltenden Rechtsgrundlagen, an die man sich halten müsse. Aber: Die Anwendung der Gesetze sei nicht immer gleich einfach umzusetzen. «Dieses Gutachten wird Spuren hinterlassen. Es wird einen Schulungseffekt haben bei unserer Mitarbeitenden», so Cavigelli abschliessend.

KEYSTONE

Die Richtwerte sind ebenfalls durch

Gemäss Kantonsverfassung und dem Gesetz über den Finanzhaushalt des Kantons Graubünden ist der Finanzhaushalt unter Berücksichtigung der Wirtschaftsentwicklung mittelfristig ausgeglichen zu gestalten. Die nachstehend formulierten Grundsätze stützen sich auf die Kantonsverfassung und die Finanzhaushaltsgesetzgebung. Sie dienen einer nachvollziehbaren sowie nachhaltigen Finanzpolitik des Kantons. Sie bilden die Basis für die finanzpolitischen Richtwerte des Grossen Rates. Diese sind möglichst griffig formuliert, auf das aktuelle finanzielle Umfeld ausgerichtet und jeweils für vier Jahre festgelegt. Sie setzen klare Leitplanken für die jährlichen Budgets.

Der Rat stimmt den finanzpolitischen Richtwerten mit 89:12 Stimmen bei 1 Enthaltung zu. 

Richtwert Nr. 1

Die Erfolgsrechnung ist mittelfristig ausgeglichen zu gestalten. Ein budgetierter Aufwandüberschuss darf im Gesamtergebnis (3. Stufe) 50 Millionen Franken nicht überschreiten.

Richtwert Nr. 2

Die budgetierten Nettoinvestitionen dürfen höchstens 170 Millionen Franken betragen.

Richtwert Nr. 3

Die kantonale Staatsquote ist stabil zu halten und nach Möglichkeit zu senken. Die Gesamtausgaben dürfen im Jahresdurchschnitt real um höchstens 1,0 Prozent wachsen.

Richtwert Nr. 4

Die Steuerbelastung ist im interkantonalen Umfeld möglichst tief zu halten.

Richtwert Nr. 5

Ein budgetiertes Defizit der Strassenrechnung darf 20 Millionen Franken nicht überschreiten.

Richtwert Nr. 6

Die budgetierte Gesamtlohnsumme der kantonalen Verwaltung darf im Jahresdurchschnitt real um höchstens 1,0 Prozent zunehmen.

Richtwert Nr. 7

Lastenverschiebungen zwischen dem Kanton und den Gemeinden sind zu vermeiden.

Richtwert Nr. 8

Das Ertragspotenzial der Nutzniesser- und Verursacherfinanzierung ist soweit zumutbar auszuschöpfen. Die Entgelte sind periodisch der nachweisbaren Kostenentwicklung anzupassen.

Richtwert Nr. 9

Die kantonalen Gesetze sind so auszugestalten, dass sie in allen Aufgabenbereichen des Kantons angemessene Handlungsspielräume zur Steuerung der Ausgaben gewähren.

Februarsession Session Grosser Rat Grossrat 2020
Regierungsrat Christian Rathgeb.
OLIVIA AEBLI-ITEM

Wie viel Personal braucht der Kanton?

Aktuell debattiert das Parlament im Rahmen des Finanzplans 2021 bis 2024 die kantonale Staatsquote. Unter Richtwert Nr. 3 heisst es: Die kantonale Staatsquote ist stabil zu halten und nach Möglichkeit zu senken. Die Gesamtausgaben dürfen im Jahresdurchschnitt real um höchstens 1,0 Prozent wachsen. Diese Vorgabe gilt analog für die vom Kanton subventionierten Betriebe und Bereiche.

Zahlreiche Grossräte äussern sich in der Diskussion. Die Meinungen gehen von «heute bereits zu viel Angestellte» über «das soll die Regierung entscheiden» bis zu «dann folgt ein Leistungsabbau». Aktuell liegen die Ausgaben für das Personal des Kantons Graubünden bei rund 400 Millionen Franken. Das entspricht 16 Prozent der Gesamtaufwendungen. «Interkantonal liegt dieser Wert bei der Hälfte des Durchschnitts», sagt Regierungsrat Christian Rathgeb (FDP, Chur).

PIXABAY

Energiegesetz wird am Mittwoch beraten

Die für Dienstagvormittag geplante Debatte und die Teilrevision des Bündner Energiegesetzes wurde auf Mittwochmorgen vertagt. Grund ist die lange Debatte zum Regierungsprogramm und Finanzplan 2021 bis 2024 am Dienstag.

«Fördern statt Fordern», «Anpassung an den Stand der Technik» und Schaffung einer «Bündner Lösung» bilden die Leitlinien der Teilrevision. Mit einer schlank gehaltenen Gesetzesrevision beabsichtigt die Regierung, den CO2-Ausstoss im Gebäudebereich zu senken und die Energieeffizienz von Gebäuden zu steigern. Sie will damit zur Umsetzung der Energiestrategie 2050 des Bundes beitragen und das klimapolitische Netto-Null-Ziel des Bundesrats unterstützen.

Heute hat „die Klimajugend“ oder zumindest ein Teil davon vor dem Grossen Rat demonstriert und Forderungen für die...

Posted by Oliver Hohl on Tuesday, February 11, 2020

Kaffeepause

Nachdem die Debatte um die Regierungsziele abgeschlossen wurde, begann jene um den Finanzplan 2021 bis 2024. Nachdem der Richtwert Nr. 1 «Die Erfolgsrechnung ist mittelfristig ausgeglichen zu gestalten. Ein budgetierter Aufwandüberschuss darf im Gesamtergebnis 50 Millionen Franken nicht überschreiten. In Zeiten negativen Wirtschaftswachstums ist im Zusammenhang mit Massnahmen zur Stabilisierung der Konjunktur ein budgetierter Aufwandüberschuss bis höchstens 80 Millionen Franken zulässig» und Richtwert Nr. 2 «Die budgetierten Nettoinvestitionen dürfen höchstens 170 Millionen Franken betragen. Davon ausgenommen sind die Nettoinvestitionen der Spezialfinanzierung Strassen sowie die vom Bund finanzierten Darlehen. Der Grosse Rat kann Ausnahmen beschliessen» schickt Standesvizepräsident Martin Wieland (FDP, Trins) das Parlament in die Pause.

Die Finanzplanung weist ausgehend vom Budget 2020 steigende Defizite von 70,4 Millionen Franken im Jahr 2021 bis 105,1 Millionen im Jahr 2023 bzw. 100,1 Millionen im Jahr 2024 aus. Die gedämpfte Entwicklung der Ertragsseite vermag mit dem Ausgabenwachstum nicht mehr Schritt zu halten. Es besteht aus finanzpolitischer Sicht offensichtlich wesentlicher Verbesserungsbedarf. Die Regierung wird alles daransetzen, dass die jährlichen Budgets den finanzpolitischen Richtwert Nr. 1 mit dem maximal zulässigen Defizit in der Erfolgsrechnung weiterhin einhalten. Je nach Entwicklung des Umfeldes sind dafür auch einschneidende Entlastungsmassnahmen erforderlich. Wichtig ist vorweg, dafür die nötigen Handlungsspielräume zu schaffen.

Grosser Rat des Kantons Graubünden
Das Regierungsprogramm 2021 bis 2024.
PHILIPP BAER

Ein erster Wurf ist durch

Soeben hat der Bündner Grosse Rat die Regierungsziele des Regierungsprogramms 2021 bis 2024 durchberaten.

Die Regierung hat im Rahmen des Regierungsprogramms 2021 bis 2024 12 Regierungsziele und 29 Entwicklungsschwerpunkte mit 98 Massnahmen festgelegt.

Regierungsziel 1

Staatliche Leistungen möglichst digital erbringen, attraktive Arbeitgeberin sein sowie für nachhaltig ausgerichtete Finanzen und moderate Steuern einstehen.

Regierungsziel 2

Die Sicherheit der Bevölkerung bei sich ändernden Risiken und Gefahren garantieren.

Regierungsziel 3

Den Bildungs- und Forschungsplatz Graubünden stärken.

Regierungsziel 4

Den Gebirgskanton Graubünden als attraktiven Arbeits-, Lebens-, und Erholungsort positionieren.

Regierungsziel 5

Die kulturelle und sprachliche Vielfalt des Kantons Graubünden als Chance nutzen.

Regierungsziel 6

Eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung und zeitgemässe Betreuungsmöglichkeiten im ganzen Kanton gewährleisten.

Regierungsziel 7

Eine bedürfnisgerechte Mobilität für den ganzen Kanton gewährleisten.

Regierungsziel 8

Dem Klimawandel und den Naturgefahren adäquat begegnen und Klimaschutz betreiben.

Regierungsziel 9

Den Stellenwert der einzigartigen alpinen (Kultur-)Landschaft und die Biodiversität erhalten.

Regierungsziel 10

Innovationen ermöglichen und die Diversifizierung der Wirtschaft unterstützen.

Regierungsziel 11

Die Entwicklung der Regionen Graubündens unterstützen.

Regierungsziel 12

Die digitale Transformation im Kanton Graubünden unterstützen.

Der Kompass stimmt. Doch Worten müssen auch Taten folgen. Dafür braucht es konsequentes Handeln und genügend Mittel in...

Posted by Philipp Wilhelm on Monday, February 10, 2020
Grosser Rat
Standesvizepräsident Martin Wieland.
ARCHIV PHILIPP BAER

Und weiter gehts

Standesvizepräsident Martin Wieland (FDP, Trins) eröffnet den zweiten Nachmittag der Februarsession. Weiter geht es mit der Debatte um das Regierungsprogramm. Weitergeführt wird die Beratung des Regierungsziels 7 «Eine bedürfnisgerechte Mobilität für den ganzen Kanton gewährleisten». Beraten werden insgesamt 12 Regierungsziele und 29 Entwicklungsschwerpunkte mit 98 Massnahmen. 

«Visionäre Projekte fehlen»

Wir nähern uns bereits mit grossen Schritten der Mittagspause. Zuerst geht es nun aber noch um Regierungsziel 7. Dieses heisst: «Eine bedürfnisgerechte Mobilität für den ganzen Kanton  gewährleisten.» Die Bündner Regierung möchte dies unter anderem mit einer Förderung der Verlagerung vom motorisierten Individualverkehr auf den öffentlichen und den Langsamverkehr erreichen. Konkret sollen tarifliche Anreize zum Umsteigen auf den öffentlichen  Verkehr geschaffen werden. Weiter sollen die Gemeinden bei der behindertengerechten Sanierung von Bushaltestellen unterstützt werden. Damit die Menschen tatsächlich vermehrt auf die öV umsteigen, will die Bündner Regierung das Netz auf wichtigen Linien ausbauen. So ist angedacht, den Halbstundentakt auf den wichtigsten öV-Linien im Kanton umzusetzen und auch zwischen Zürich und Chur  durchgehender IC-Halbstundentakts anzubieten.

Grossrat René Epp (CVP, Disentis) zeigt sich mit diesen Massnahmen einverstanden, ihm fehlt aber die langfristige Planung und ein echtes Leuchtturmprojekt wie beispielsweise Porta Alpina (unterirdische Bahnstation im Gotthard-Basistunnels mit Anbindung des Ortes Sedrun und der ganzen Surselva ans internationale Netz). Grossrat Duosch Fadri Felix (FDP, Scuol) sieht ebenfalls die Gefahr, dass man in vier Jahren nicht weiter ist als heute. Unkonventionelle Ideen seien auch gefragt. «Jahrhundertprojekte sollen aktiv vorangetrieben werden». Mit solchen Quantensprünge würden die Talschaften einander näher rücken. Regierungsrat Mario Cavigelli (CVP, Domat/Ems) entgegnet, dass in vier Jahren solche Projekte gar nicht realistisch seien. Das ganze Thema Mobilität sei extrem vielschichtig. Die Frage nach Anschlüssen ans umliegende Gebiet würden sich aber schon stellen. Man sei aber immer auch abhängig von Partnern. So sei bei Projekten, die das Schienennetz betreffen, der Bund federführend.

Philipp Wyss ist Chefredaktor der gemeinsamen Redaktion der Zeitung «Südostschweiz» und der Internetseite «suedostschweiz.ch». Damit zeichnet er für das Team und für den Inhalt dieser Produkte verantwortlich. Mehr Infos

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