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Historische Session in Davos

Zum vierten Mal in Folge durfte Davos Tagungsort der Bündner Politik sein.

Davoser
Zeitung
23.06.21 - 08:00 Uhr
Politik
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Philipp Wilhelm im Gespräch mit Beatrice Baselgia.
OLIVIA AEBLI-ITEM

Im Fokus der Diskussionen von vergangener Woche stand der zweite und damit letzte Teil des Berichts der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) Baukartell. Für das Jahr 2022 wurden zudem Marcus Caduff (Mitte) als Regierungspräsident und Peter Peyer (SP) als Regierungsvizepräsident gewählt.

Es war in vielerlei Hinsicht eine historische Session, welche letzte Woche erneut im Davoser Kongresszentrum stattfand. Einerseits fand sie am Tag nach der deutlichen Annahme des Bündner Kompromisses beim Wahlrecht statt, womit ein bald 100-jähriger Politstreit endet. Andererseits war es die erste Session, in der es keine CVP- und keine BDP-Fraktion mehr gab. Sie hatten sich kurz zuvor zur nun- mehr grössten Fraktion zusammengetan: zur «Die Mitte-Fraktion». Und letztlich war es die Session, an der nach über dreijähriger Arbeit der abschliessende Bericht der ersten PUK in der Geschichte des Kantons behandelt wurde.

Kultur des Wegschauens

Fast 500 Seiten dick ist dieser zweite PUK-Bericht zum Thema Preisabsprachen, welche Baumeisterfirmen im Unterengadin tätigten. Wie schon der erste Bericht zur Untersuchung der Rolle der Kantonspolizei kam auch der vorliegende Bericht zum Schluss, dass es keine aktive Beteiligung von Kantonsangestellten an den Kartellmachenschaften gab. Allerdings lagen dem kantonalen Tiefbauamt spätestens seit 2009 begründete Hinweise vor, dass es Preisabsprachen geben könnte. Adäquate Gegenmassnahmen blieben aus, bis 2012 die Wett­bewerbskommission (WEKO) intervenierte. Seither hat der Kanton diverse Schritte ergriffen, um fehlbare Firmen zur Kasse zu bitten und künftige Absprachen zu bekämpfen. Im Rat wurde einerseits Erleichterung geäussert, dass die Kantonsverwaltung nicht aktiv in das Kartell verwickelt war. Andererseits wurde kritisiert, dass es eine Kultur des Wegschauens gab, und es wurde verschiedentlich betont, dass die Grenze zwischen aktivem Zutun und bewusstem Nichtstun äusserst dünn sei. So etwas dürfe nie mehr passieren, forderten Votierende aus allen Fraktionen.

Zu reden gab auch Whistleblower A. Quadroni. Er machte die Behörden auf die Absprachen aufmerksam, an denen er selber beteiligt war. Weil die Behörden wie erwähnt nicht adäquat reagierten, ging er zur WEKO, welche darauf mit einem Grosseinsatz die Vorgänge aufdeckte. Im Rat war zu hören: A. Quadroni sei kein Held, aber der Kanton schulde ihm Dank. Immerhin: Die durch ihn aufgeflogenen Firmen zahlten Vergleichsbeiträge in Millionenhöhe an Kanton und Gemeinden. Einig waren sich alle Fraktionen, dass die Einsetzung der PUK wichtig war, um Licht in das dunkle Kapitel zu bringen und das Vertrauen in die Institutionen zurückzugewinnen. Es resultierten zudem diverse Empfehlungen zur Verhinderung künftiger Fälle. Regierungspräsident Mario Cavigelli betonte, dass die Regierung die Empfehlungen sorgfältig prüfen und schnellstmöglich umsetzen wolle.

Versachlichung wäre wünschenswert

Wie in der Junisession üblich, wurde auch diesmal die Vorjahresrechnung beraten. Zum 16. Mal in Folge schloss diese mit einem deutlichen Überschuss im operativen Ergebnis ab, diesmal mit rund 80 Millionen Franken. Und wie jedes Jahr entbrannte auch heuer eine ideologische finanzpolitische Debatte. Während die Ratslinke gerade im Sinne einer antizyklischen Konjunkturpolitik zur Bewältigung der Krise Investitionen forderte, drückte die Ratsrechte mit Berufung auf krisenbedingte Einnahmeeinbussen wie gewohnt auf die Bremse. Zumindest betonten alle Seiten die Wichtigkeit der in Aussicht gestellten Investitionsprogramme wie etwa des Green Deals oder des Digitalisierungsschubs. Zudem wurden einstimmig zwei Aufträge für ein kantonales Impulsprogramm überwiesen, unter anderem für Investitionsvorhaben im Tourismus. Das ist wichtig, denn wenig andere Staatswesen können aktuell auf so viel finanziellen Spielraum bauen wie der Kanton Graubünden. Es wäre gut, wenn die Bündner Finanz­debatte dereinst eine Versachlichung erfährt. Vielleicht bereits durch den letzten Fraktionsauftrag der ehemaligen CVP-Fraktion: Er fordert die Erarbeitung von finanzpolitischen Szenarien für die Kantonskasse und wurde vom Rat ebenfalls einstimmig überweisen.

Zum letzten Mal in Davos?

Neben PUK, Finanzen und Wirtschaftsperspektiven ging es selbstredend auch um Mensch und Umwelt. Im Hinblick auf die Sommer- und Sömmerungssaison wurde über einen vernünftigen Umgang mit der wachsenden Anzahl Wölfe oder auch über eine Verstärkung kantonaler Massnahmen gegen Littering diskutiert. Bis zum Ende der Session gingen ein Dutzend neue Aufträge und Anfragen ein. Die Arbeit wird dem Parlament nicht ausgehen. Wo es im August tagen wird, ist vorerst offen. Viele tolle Rückmeldungen zeigen aber: Nicht nur wir könnten uns an Davos als Tagungsort gewöhnen.

Philipp Wilhelm (SP)

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