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Schweiz beschert Deutschland einen harten Einstand

Vor 112 Jahren schrieb das deutsche Nationalteam das erste Kapitel seiner Fussball-Geschichte. Die Premiere endete für den DFB in einer Enttäuschung: In Basel unterlag Deutschland der Schweiz 3:5.

Agentur
sda
05.04.20 - 09:58 Uhr
Fussball
Vor ähnlicher Kulisse im Basler Stadion Landhof ging 1908 auch das erste Länderspiel zwischen der Schweiz und Deutschland über die Bühne (Archiv)
Vor ähnlicher Kulisse im Basler Stadion Landhof ging 1908 auch das erste Länderspiel zwischen der Schweiz und Deutschland über die Bühne (Archiv)
KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/STR

Seit wann sich Glücksgöttin Fortuna für Fussball interessiert, ist nicht übermittelt. Anzunehmen ist aber, dass der Fussball zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts noch Chefsache war. Sucht man nämlich nach übersinnlichen Erklärungen für den ersten Länderspiel-Sieg der Schweizer Nationalmannschaft, kommen - wenn überhaupt - nur Göttervater Jupiter und das Wetter in Frage. Zwar hing der Nebel schon über dem Landhof in Kleinbasel, als der schweizerisch-englische Schiedsrichter H. P. Devitte, ausgerüstet mit Pfeife, blauem Anzug und schwarzem Zylinder, die Partie zwischen der Schweiz und Deutschland am 5. April 1908 eröffnete. Erst der während der Partie einsetzende Regen machte aber die Schweizer Wende vom 0:1 zum 5:3 möglich.

4000 Zuschauer lockte die Begegnung der «elf besten Spieler der Schweiz» gegen die «elf besten Spieler von Deutschland», wie der Länderkampf im offiziellen Matchprogramm bezeichnet wurde, an jenem Sonntagnachmittag vor 112 Jahren in die Spielstätte des FC Basel. Innerhalb von zwei Wochen hatte der FCB aufgrund dieses Spiels eine weitere Tribüne errichten lassen: 4000 Franken bezahlte Basel für zusätzliche 200 Plätze. Wer den ersten Länderkampf Deutschlands von der frisch gebauten Tribüne aus sehen wollte, bezahlte drei Franken, weitere Plätze gab es für zwei oder einen Franken.

Während das Schweizer Nationalteam mit der Erfahrung von zwei sieglosen Länderspielen nach Basel reiste, stand Deutschland vor seiner Premiere und tat sich damit schwer. Vom Fussballriesen, der es in den 112 Jahren seit seinem ersten Spiel zu vier Weltmeister- und drei Europameister-Titeln bringen sollte, war 1908 wenig zu sehen. Ohne Trainer trat das deutsche Team an, statt beim gemeinsamen Training wurden gemäss dem amtlichen Bericht «die Chancen für den Wettkampf beim Gläschen Bier besprochen», und über die Aufstellung informierte Spielführer Arthur Hiller seine Kameraden erst kurz vor Anpfiff.

Jordans Debakel und Dreyfuss' Fauxpas

Der Mahnmale zum Trotz startete das deutsche Team, das sich zum Teil erst Stunden vor dem Anpfiff im Zug nach Basel kennengelernt hatte, schwungvoll. Sechs Minuten dauerte es bis zu Deutschlands erstem Länderspiel-Tor, nach 21 Minuten stand - erzielt von Hans Kämpfer - das erste Gegentor zu Buche. Diesem folgten Hagelsturm und Dauerregen. Kämpften die Deutschen bis zum Ausgleich vorwiegend mit der eigenen Abstimmung, kam nun noch die Unterlage dazu. «Der aufgeweichte, schlüpfrige Boden», schrieb ein Reporter von «Football Suisse» in seinem Bericht, «lässt ein sicheres Spiel nicht mehr aufkommen.»

Ernst Jordan, Abwehrhüne des Magdeburger Fussball- und Cricket-Club Victoria und im deutschen Team Ersatzmann des verletzten Heinrich Riso, findet sich im Matsch überhaupt nicht mehr zurecht. Sieben Minuten nach dem Ausgleich lenkt er einen Freistoss zum 1:2 ins eigene Tor. Auch an den weiteren Schweizer Toren ist Jordan massgeblich beteiligt, das Debüt für Deutschland wird für ihn zu einem Debakel, nie wieder wird er für den DFB auflaufen. Ohne den fehlerhaften Verteidiger wäre mehr drin gelegen, ist sich der deutsche Funktionär Hugo Egon Kubaseck nach Spielschluss sicher, «Jordan war der schwächste Punkt», steht im Fachblatt «Football Suisse».

Als Schiedsrichter Devitte die Partie gegen fünf Uhr beendet, nimmt das Publikum den Schweizer Sieg «mit Jubel auf», wie die «National Zeitung» berichtet. Wobei auch die Deutschen grösstenteils zufrieden sind. Für den DFB ist es ein Erfolg, dass die Partie überhaupt hat stattfinden können. Viele potenzielle und spätere Nationalspieler waren für das Spiel in Basel unabkömmlich gewesen, statt der «elf besten Spieler von Deutschland» hätten sich auf dem Landhof darum elf verfügbare Spieler von Deutschland ein Nachbarschaftsduell mit der Schweiz geliefert, heisst es in der Heimat.

Einiges ist vom ersten von mittlerweile 52 Duellen zwischen der Schweiz und Deutschland noch überliefert, anderes bleibt vage. So berichteten gewisse Medien, dass der Schweizer Goalie Ivan Dreyfuss beim abschliessenden Bankett den Smoking des Deutschen Fritz Becker beim Nachstellen einer Parade mit Senf beschmiert haben soll. Andere machen Pudding für die Sauerei auf dem geliehenen Kleidungsstück des Deutschen verantwortlich. Auch die tatsächliche Ursache für das 5:3 ist heute nicht mehr detailgetreu nachzuzeichnen. War es Verteidiger Jordan, die ungenügende Vorbereitung, der fehlende Trainer - oder doch der einsetzende Regen und Jupiter?

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