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Der Aufstieg des Arbeiters zur Nummer 1

Vor 17 Jahren steigt Markus Fuchs zur Nummer 1 der Springreiter auf. Für den St. Galler ist der Platz an die Spitze der Weltrangliste vorab der Lohn für harte Arbeit.

Agentur
sda
01.07.20 - 04:30 Uhr
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Markus Fuchs hat sich den Aufstieg zur Nummer 1 im Wortsinn erarbeitet
Markus Fuchs hat sich den Aufstieg zur Nummer 1 im Wortsinn erarbeitet
KEYSTONE/EDDY RISCH

Der Status der Nummer 1 steht für vieles. Die Spitzenposition sorgt für steigendes Ansehen und zusätzliche Aufmerksamkeit. Sie bringt Privilegien, sie ist verbunden mit viel Prestige. Für Fuchs ist sie primär die Bestätigung dafür, als international erfolgreicher Springreiter sehr vieles richtig gemacht zu haben.

Markus Fuchs war ein erstes (von drei) Mal am 1. Juli 2003 ganz oben angelangt. Er beendete die ungewöhnlich lange Regentschaft von Ludger Beerbaum, der die Weltrangliste seit Januar 2001 ununterbrochen angeführt hatte. Der Deutsche musste den Stab weiterreichen, obwohl er einige Tage zuvor beim CHIO Aachen wie im Vorjahr den Grand Prix gewonnen hatte. Fuchs war beim Hauptereignis in der Soers nur Zuschauer. Er hatte die Qualifikation verpasst.

Die Eigenheiten der Weltrangliste

Überspitzt formuliert, löste ein Verlierer einen Gewinner als Nummer 1 ab. Ausgerechnet in jenen Tagen, als die Leistungskurven von Fuchs und Beerbaum in extremer Weise in entgegengesetzter Richtung verliefen, kam es zum Führungswechsel. Möglich machten das Kuriosum die Besonderheiten bei der Berechnung der Weltrangliste.

Wie in den Rankings der Tennis-Gewerkschaften ATP und WTA fliessen die während einer zwölf Monate dauernden Periode erzielten Ergebnisse ein, wobei bei den Springreitern lediglich die besten 30 Resultate berücksichtigt werden. Die Internationale Reiterliche Vereinigung FEI aktualisiert die Liste wöchentlich, veröffentlicht sie im Normalfall aber nur zu Beginn jeden Monats.

Aktuelle Resultate ersetzen die in der gleichen Periode des Vorjahres gewonnenen Punkte. Die Ausnahme bilden die Ergebnisse bei Grossanlässen wie Olympischen Spielen, Welt- oder Europameisterschaften. Je nach Zyklus werden die gewonnenen Punkte stufenweise abgezogen. Wenn zum Beispiel ein Event nur alle vier Jahre stattfindet, werden pro Jahr 25 Prozent der Punkte «abgebaut». Zudem ist die Punkteskala der Wichtigkeit der Concours angepasst. Fünf-Sterne-Turniere werden höher gewichtet als Veranstaltungen unterer Kategorien. Und schliesslich werden auch Bonuspunkte vergeben, unter anderem für Ritte mit maximal 4 Strafpunkten in Nationenpreisen oder für die ersten drei in der Gesamtwertung bei Grossveranstaltungen.

Fuchs hatte trotz des Scheiterns in Aachen im Juni vor 17 Jahren 485 Weltranglisten-Punkte gesammelt, was im Vergleich zur identischen Zeitspanne des Vorjahres einem Zuwachs von 191 Punkten entsprach. Beerbaum dagegen musste trotz des Grand-Prix-Sieges Abzüge hinnehmen. Unter anderem wurde ihm die zweite Tranche der Punkte abgebucht, die er zwei Jahre zuvor für den Gewinn des Europameistertitels gutgeschrieben bekommen hatte.

Die richtige Einordnung

Die Komplexität der Weltrangliste hätte Fuchs nicht gebraucht, um seinen Aufstieg einzuordnen. Der St. Galler sah sich auch in der Zeit als Nummer 1 nicht als den Besten. Er wusste seine Position richtig zu werten. Seine Bescheidenheit und Demut liessen kein überhöhtes Bild seines Könnens zu. Er war nie der grosse Stylist und nicht mit dem gleichen Talent gesegnet wie etwa sein Bruder Thomas. Sein Erfolg beruhte auf harter Arbeit, Fleiss und dem Willen, den Mangel an naturgegebenen Fähigkeiten durch zusätzlichen Aufwand wettzumachen.

«Es gibt viel bessere Reiter auf der Welt als mich», sagte Fuchs einmal. «Ich bin durch die Quantität meiner Starts und die Qualität meiner Pferde an die Spitze vorgestossen.» Er hatte damals dank seinen Mäzenen mit dem Holländer-Hengst Tinka«s Boy, der Westfalen-Stute Granie, dem Irländer-Wallach Royal Charmer und der Belgien-Stute La Toya vier absolute Top-Pferde in seinem Beritt. Die Unterstützung durch die Unternehmer Isolde Liebherr und Adolfo Juri war ihm während vielen Jahren gewiss. Der Tessiner Juri, in den Sechzigerjahren Spieler des HC Ambri-Piotta, gehört mittlerweile auch zu den Partnern von Martin Fuchs. Der Sohn von Markus» Bruder Thomas ist in der aktuellen Weltrangliste hinter Steve Guerdat die Nummer 2.

Die Abhängigkeit von seinen Pferden diktierte auch die abschliessende Phase des Profi-Reiters Markus Fuchs. Im Februar 2009 waren mit der Holländer-Stute Nimette und Royal Charmer gleich zwei Pferde verletzt. Er sah damit den Zeitpunkt gekommen, den Rücktritt vorzubereiten. Vier Monate später, wenige Tage vor seinem 54. Geburtstag, trat Fuchs im Rahmen des CSIO St. Gallen ein letztes Mal auf höchster Ebene an.

«Nur noch mitreiten will ich nicht», begründete Fuchs seinen Entscheid. Er hatte auch im Spätherbst seiner Karriere höhere Ansprüche. Als ehemalige weltweite Nummer 1 sowieso.

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