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Hussein: «Es ist alles möglich, wenn ich gesund bin»

Kariem Hussein sieht die Verschiebung der Olympischen Spiele um ein Jahr als Vorteil, wobei er nicht mehr unter Laurent Meuwly trainiert.

Agentur
sda
02.07.20 - 04:00 Uhr
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Es herrschen beste Bedingungen am Dienstagmorgen im Stadion Letzigrund, an jener Stätte, an welcher der Stern von Hussein am 15. August 2014 mit dem EM-Titel aufgegangen ist. Im Trainingsprogramm des 31-jährigen Thurgauers stehen Koordination und Technik. «Gutes, angenehmes Tempo, wenig Pausen», beschreibt er die Einheit. Danach steigt er ins Eisbad, ehe am Nachmittag weitere Termine angesetzt sind.

Hussein absolviert das Training ganz alleine. Normalerweise betreut ihn in der Schweiz Helen Barnett-Burkart, die Frau des vor kurzem verstorbenen früheren Sprinters Stefan Burkart, die bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles mit der britischen 4x400-m-Staffel den 4. Platz erreicht hat. Dann geht Hussein immer wieder zu Sven Rees nach Stuttgart. Wieso hat er die Zusammenarbeit mit Meuwly beendet? «Ich wollte zurück in die Schweiz. Nur schon darum ging es nicht mehr.» Meuwly, der auch Lea Sprunger coacht, ist seit dem 1. April 2019 Nationaltrainer des niederländischen Leichtathletik-Verbandes und arbeitet nun in Papendal.

Hussein wurde es selbst während des Lockdowns aufgrund des Coronavirus alles andere als langweilig. Er konnte der ganzen Entschleunigung in der Gesellschaft durchaus auch Positives abgewinnen. Zudem hatten die Einschränkungen keinen grossen Einfluss auf sein Training, ausser dass er es alleine bestreiten musste. «Ich brauche eine Bahn und einen Kraftraum, das konnte ich glücklicherweise organisieren», sagt Hussein. «Aber klar benötige ich die Plattform von Wettkämpfen.» Ausserdem sei es schon speziell, nicht genau zu wissen, auf was man sich vorbereite.

Schliesslich sind es sich die Leichtathleten gewohnt, in der Planung (mindestens) einen Peak zu setzen, an dem sie die Topform erreichen wollen. Diesen stellt für Hussein in diesem Jahr nun die Schweizer Meisterschaften vom 11. und 12. September in Basel dar, wo er 2020 erstmals über 400 m Hürden antreten will. Der Saisoneinstieg ist am 24. Juli in Bern mit einem Start über 400 m flach geplant. Was im Kalender hinten heraus ansteht, wisse er immer noch nicht, «das ergibt sich jetzt dann».

Hussein beendete 2018 das Medizinstudium und ist seither Profisportler. Weil der Wettkampfkalender aufgrund des Coronavirus heftig durcheinandergewirbelt wurde, arbeitet er nun länger an der Basis - sprich mehr Umfang und weniger Intensität. Das Basistraining bildet das Fundament, damit die Muskulatur und die Sehnen für die intensiveren Einheiten und die Rennen bereit sind. Viel Zeit investiert er auch in die Mobilisation.

Die Verschiebung der Olympischen Spiele um ein Jahr kommt Hussein entgegen, blickt er doch auf eine schwierige Zeit zurück. 2018 machten ihm diverse Sehnenläsionen im linken Beckenbereich zu schaffen, weshalb er einzig Anfang Mai beim Diamond-League-Meeting in Doha starten konnte. Zunächst wurde das Ganze unterschätzt, ein MRI gab dann aber Klarheit.

«Das war heftig», sagt Hussein, «und hat mich kurzfristig extrem zurückgeworfen.» Er befand sich gemäss eigener Aussage auf einem tieferen Niveau als beim Start der Leichtathletik-Karriere. «Wenn keine Strukturen mehr da sind, dann ist es schwierig», begründet der Sohn einer Schweizerin und eines Ägypters. Hussein musste alles wieder aufbauen - die Muskeln, die Hüftstabilität -, was sehr lange ging.

2019 kämpfte er sich trotz Schmerzen durch und qualifizierte sich für die Weltmeisterschaften in Doha. «Ich weiss nicht, wie ich das geschafft habe. Ich konnte bloss während eines Monats halbbatzig sprinten», erklärt Hussein. In Doha riss dann während des Vorlaufs ein Hüftstabilisator, sodass er chancenlos war. Nun sei er bei etwa 93 Prozent. Sein Glaube ist gross, dass sich der Rückschlag langfristig positiv auswirken wird. «Ich sah das Ganze rasch als Chance für einen intensiven und strukturierten Aufbau.»

Auch die Trainings über all die Zeit geben Hussein Zuversicht. «Ich bin schon 2014 48,47 Sekunden gelaufen, damals war ich aber niemals soweit wie in den kommenden Jahren.» Zwar steigerte er die persönliche Bestmarke nur minim auf 48,45 Sekunden, «die Verbesserungen sieht man aber nicht nur an der Bestzeit, sondern auch an der Konstanz». Und diese sei vorhanden gewesen. «Ich registrierte in den Trainings stets Fortschritte. Insofern bin ich zu 100 Prozent überzeugt, dass alles möglich ist, wenn ich gesund bin.»

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