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Ein Königreich für ein Bike

Lenzerheide fokussiert mit der Kampagne «Bike Kingdom» noch stärker auf die Mountainbiker. Die Wanderer will man aber nicht vergraulen. Das kostet.

Ruth
Spitzenpfeil
26.09.19 - 04:30 Uhr
Tourismus
Neue Kampagne um Biker und Wanderer zu begeistern.
Neue Kampagne um Biker und Wanderer zu begeistern.
OLIVIA AEBLI-ITEM

Simon Smit packt sein euphorisches Marketingdeutsch aus. Lenzerheide setze schon seit zehn Jahren erfolgreich auf das lukrative Gästesegment der Mountainbiker. Doch jetzt hisse man die Fahne höher denn je, differenziere sich von der Konkurrenz und werde das nächste Level erreichen. Der Kampagnen-Profi von der Creative Intelligence Society mit Sitz in Zürich und Alvaneu ist überzeugt: «Wir haben eine Idee, die mitten ins Bikerherz trifft.»

Rund 1,2 Millionen Franken lässt sich die Lenzerheide Marketing und Support AG den Auftrag an die Kreativen kosten, wie an diesem Mittwoch an einer Medienorientierung am Fusse des Bikeparks an der Rothornbahn zu erfahren ist. Die Ferienregion will ihren Führungsstatus in Europa auf die kommende Sommersaison ausbauen und sich mit Smits Ideen neu positionieren, erklärt Marc Schlüssel, der in der Organisation das Projekt leitet. Wie will man nun aber die Zweirad-Community, welche typischerweise von einem gerade angesagten Spot zum nächsten zieht, nachhaltig von Lenzerheide faszinieren?

Film und Game-App

Mountainbiker mit ihre Stahlrössern, Helmen und Protektoren seien doch so etwas wie die Ritter von heute, fabuliert Smit und enthüllt den Namen des neuen Konzepts: Lenzerheide soll ab 2020 und auf Jahrzehnte hinaus, das «Bike Kingdom» sein. «Das Wort Kingdom suggeriert, es ist etwas Grosses, das einen in Lenzerheide erwartet», so Smit. Das an ein mittelalterliches Banner erinnernde schwarz-weisse Logo steht bereits, ein Kernstück der Kampagne ist am Ort gerade im Entstehen: ein Film mit dem Namen: «The Legend of Bike Kingdom».

Mit der angekündigten Anlehnung an die Ästhetik von Ikonen wie «Braveheart» und «Game of Thrones» greift man hoch. Auch die Produktionsfirma Anthill Films aus Kanada mag in der Szene durchaus ein Begriff sein. Die Besetzung der Hauptrolle ist aber erklärungsbedürftig. Die «Legende» und damit die neue Identifikationsfigur des Biker-Königreichs Lenzerheide soll nämlich ein Belgier, namens Thomas Genon sein.

Wer ist Thommy G?

Die Werber geben zu, dass der Name vielleicht noch nicht wirklich massentauglich ist. Der 25-Jährige sei in der Zielgruppe aber durchaus ein «Hero» und gewinne an den wichtigsten Slopestyle-Wettkämpfen der FMB World Tour eine Medaille nach der anderen. Von dem Kaliber gebe es in der Schweiz kaum jemanden, der verfügbar wäre, hiess es auf Nachfrage. Natürlich fiele da jedem sofort der Name Nino Schurter ein. Doch der Zug ist für Graubünden bekanntlich abgefahren und der einheimische Olympiasieger und Weltmeister vorerst vertraglich fest ans Tessin gebunden.

Nicht ganz ungelegen kam den Filmemachern, dass Genon jetzt eine Zeit lang verletzt war und nicht an Wettkämpfen teilnehmen konnte. So war er nicht verplant und die Abwesenheit liess sich als Story des Films verwenden. Es geht nämlich darum, dass sich ein Dutzend internationaler Bike-Stars in verschiedenen Szenen fragt: Wo ist eigentlich Thommy G.? Es wird dann gezeigt, wie dieser den Mythos Lenzerheide lebt.

Dauerhafter als der Film soll noch ein weiteres Element die Biker an Lenzerheide binden. Entworfen wird eine App, welche zu so etwas wie einem Gameboy der Sportler werden soll. Mit Spielen und Wettbewerben sind Preise zu gewinnen, die App will aber auch Plattform für die Anbieter in der Region sowie Navigationshilfe sein.

Die Wanderer stützen

Der Bike-Kingdom-App traut man auch zu, bei der Lösung eines alten Problems mitzuhelfen. Was haben die Wanderer in einem Königreich der Biker denn noch verloren, könnte man meinen. Dieses Widerspruchs ist man sich durchaus bewusst. Der im Mai genehmigte «Masterplan Bike 2.0» der Gemeinde Vaz/Obervaz schafft die Grundlagen für aufwendige Massnahmen zur Entflechtung der beiden Gruppen am Berg. «Es ist uns sehr wichtig, allen optimale Bedingungen zu bieten», sagt Gemeindepräsident Aron Moser. Man wolle die langjährigen Gäste, die in Ruhe die Natur geniessen wollen, auf keinen Fall vergraulen, sondern dieses Segment sogar massiv stützen.

Konflikte beobachte er inzwischen viel weniger, sagt Thomas Vogt, Präsident des Hoteliervereins. 1,8 Millionen Franken werden investiert, damit Wanderer und Biker aneinander vorbeikommen. Es seien überall Tafeln aufgestellt, Wege verbessert und bereits 15 Kilometer an Trails gebaut worden, so Projektleiter Schlüssel. Die neuen Bikewege seien auch viel lässiger. Das hält man für die beste Massnahme, damit die Wanderer von den modernen Rittern nicht verschreckt werden.

Ruth Spitzenpfeil ist Kulturredaktorin der «Südostschweiz» und betreut mit einem kleinen Pensum auch regionale Themen, die sich nicht selten um historische Bauten drehen. Die Wahl-St.-Moritzerin entschloss sich nach einer langen Karriere in der Zürcher Medienwelt 2017, ihr Tätigkeitsfeld ganz nach Graubünden zu verlegen. Mehr Infos

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