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Forscher wollen durch Paradigmenwechsel Tierverbrauch minimieren

Bei Tierversuchen galt bisher das Gebot, die Bedingungen streng zu standardisieren, um vergleichbare Ergebnisse zu erzielen. Internationale Forscher präsentieren auf Einladung der Uni Bern nun den umgekehrten Ansatz, unter anderem um den Tierverschleiss zu vermindern.

Agentur
sda
02.06.20 - 11:05 Uhr
Wirtschaft
Labormaus mit Fluchtgedanken. Bewährt sich der neue Ansatz der Uni Bern, Laborversuche zu variieren statt zu vereinheitlichen, werden weniger Versuchstiere im Labor "verbraten". (Archivbild)
Labormaus mit Fluchtgedanken. Bewährt sich der neue Ansatz der Uni Bern, Laborversuche zu variieren statt zu vereinheitlichen, werden weniger Versuchstiere im Labor "verbraten". (Archivbild)
Keystone/GAETAN BALLY

Trotz der Standardisierung war bisher die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse «erstaunlich schlecht», schreibt die Abteilung Tierschutz der Uni Bern in einer Mitteilung vom Dienstag. Um robustere Versuchsergebnisse zu erzielen, schlagen die Forscherinnen und Forscher aus verschiedenen Fachgebieten nun vor, absichtlich biologische Variation im Versuchsdesign einzuplanen.

«Wissenschaftliche Ergebnisse in unabhängigen Studien zu reproduzieren, ist die Nagelprobe, mit der Forschende Fakten von Anekdoten unterscheiden», wird Bernhard Völkl zitiert, der den Workshop zusammen mit Hanno Würbel, Professor für Tierschutz an der Universität Bern, ausgerichtet hat.

Würbel ergänzt: «Mangelnde Reproduzierbarkeit verursacht ökonomische Kosten und wissenschaftliche Unsicherheit - und ist ethisch bedenklich, wenn dadurch medizinischer Fortschritt behindert und Tiere in nicht aussagekräftigen Versuchen verwendet werden.»

In Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten aus Biologie, Versuchsplanung und Biostatistik gelangten Völkl und Würbel zur Einsicht, dass es in der Versuchsplanung einen Paradigmenwechsel braucht - nämlich Heterogenisierung statt Vereinheitlichung. Ihre Überlegungen präsentieren sie nun in der Zeitschrift «Nature Reviews Neuroscience».

Vielfalt statt Einheitlichkeit

Rigorose Standardisierung schränkt den Geltungsbereich der Versuchsergebnisse sehr stark ein, haben die Fachleute beobachtet. «Der Geltungsbereich vieler Tierversuche ist so eingeschränkt, dass ein erhebliches Risiko besteht, Versuchsergebnisse zu erzielen, die nicht reproduzierbar sind», sagt Würbel. Das Team schlägt deshalb das gezielte Einplanen biologischer Variation im Versuchsdesign von Tierversuchen vor, um den Geltungsbereich der Ergebnisse zu erweitern und damit die Reproduzierbarkeit zu verbessern.

Dadurch werde nicht zuletzt der Erkenntnisgewinn pro Tier und Versuch maximiert. «Mit solchen Versuchsdesigns können wir vergleichbare Versuchsbedingungen und biologische Variation unter einen Hut bringen und damit feststellen, ob die Ergebnisse robust sind gegenüber Variation in den Versuchsbedingungen», sagt Naomi Altman, kürzlich emeritierte Professorin an der Penn State University (USA).

Variationen sind möglich beispielsweise durch die Verwendung mehrerer Zuchtlinien oder Altersgruppen, oder verschiedener Haltungsbedingungen. Auch mehrere Teilversuche oder Multilaborversuche können zielführend sein. «Es gibt nicht die eine beste Lösung für alle Versuche», sagt Völkl. «Deshalb empfehlen wir die Heterogenisierung von Tieren und Umweltbedingungen in allgemeiner Form.»

Sparsamer umgehen mit Tierleben

Die Expertinnen und Experten sind überzeugt, dass durch Einplanung biologischer Variation ins Versuchsdesign weniger Versuche und damit weniger Versuchstiere gebraucht werden, um belastbare Ergebnisse zu erzielen. Selbst wenn für einzelne Versuche mehr Tiere verwendet würden, wird damit der Gesamtverbrauch an Tieren abnehmen, betonen die Autorinnen und Autoren.

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