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Wissenschaft unterwegs

Mittwochnachmittag auf Gleis 6 in Landquart. Barbara Haller Rupf kommt mit schnellem Schritt die Rampe hoch.

Davoser
Zeitung
22.05.21 - 16:10 Uhr
Wirtschaft
Neugierig: Barbara Haller Rupf entdeckt die Welt immer wieder neu – als Forscherin, Skifahrerin und Reisende.
Neugierig: Barbara Haller Rupf entdeckt die Welt immer wieder neu – als Forscherin, Skifahrerin und Reisende.
Cindy Ziegler

Sie ist elegant gekleidet, in Beige und Schwarz. An den Füssen Stiefel mit einem leichten Absatz. Auf dem Rücken ein grosser, schwerer Rucksack. Wir steigen in den Zug nach Davos und setzen uns. Barbara Haller Rupf in Fahrtrichtung. «Sonst bin ich schnell weiss», sagt sie und lacht unter der gemusterten Schutzmaske.

Seit Anfang April leitet die 56-jährige Geografin die Academia Raetica. Die Vereinigung mit Sitz in Davos verbindet und vertritt die wissenschaftlich tätigen Institutionen, Kliniken und Hochschulen im Kanton Graubünden. Barbara Haller Rupf öffnet ihren Rucksack. Und hievt einen grossen, beigen, gesprenkelten Stein heraus. «Was ist das für ein Stein?», will nicht nur ich wissen. Auch der Zugchef, der unsere Billette kontrolliert, ist interessiert. «Das ist ein Glimmerschiefer mit Granat und Hornblende», antwortet mein Gegenüber. Und erzählt, dass sie das Fundstück zu Studienzeiten selbst mit Pickel und Schaufel im Gotthardgebiet ausgegraben habe. Wir staunen, der Zugchef und ich. Über den schönen Stein, aber auch über das Wissen von Barbara Haller Rupf. Das ist wohl die Geografin in ihr, die unsere Fragen noch so gerne beantwortet. Wissenschaft unterwegs so quasi.

Vielfältig: So bunt wie dieser Glimmerschiefer ist auch die Wissenschaftswelt in Graubünden.
Vielfältig: So bunt wie dieser Glimmerschiefer ist auch die Wissenschaftswelt in Graubünden.

Ein besonderer Stein aus dem Gotthardmassiv

Den Stein habe sie nicht einfach so mitgebracht, sagt sie. Vielmehr symbolisiere er für sie die Academia Raetica und ihre über 20 Mitgliedsinstitutionen. «Edelsteine und Mineralien, zusammengehalten von einer im Erdinnern verfestigten Sand-Mergel-Masse», erklärt sie, als ihre Finger langsam über den Stein streichen. «Es ist wie mit den Forschungsinstitutionen im Kanton. Es gibt grössere und kleinere, bekanntere und unbekanntere. Alles Edelsteine in ihrem Fachgebiet. Zusammengehalten und vernetzt durch die Academia Raetica», führt sie ihre Gedanken weiter aus.

Derweil hat der Zug Grüsch und Schiers hinter sich gelassen. Die Landschaft ändert sich stetig. Von urbaner Infrastruktur mit hohen Häusern zur ländlichen Umgebung mit hohen Bergen. Von Grün zu Weiss. Barbara Haller Rupf blickt aus dem Fenster. «Ich bin Geografin geworden, weil ich die Räume verstehen wollte, in denen wir leben», erklärt sie. Es gehe um Landschaften und Lebensräume, schnell aber eben auch um Menschen und Kulturen. Das alles hat sie intensiv erlebt und erforscht. Beruflich, aber auch privat. Als Forscherin, Skifahrerin und Reisende. Letzteres übrigens meist auf dem Velo. «So kommt man schnell ganz nah und direkt in einem Land an.»

Räume verstehen, in denen wir leben

Auch der Kanton Graubünden biete aussergewöhnliche Räume: Lebensräume, aber auch Forschungsräume. Ganz besondere, findet Barbara Haller Rupf. Schliesslich ist sie aus dem Aargau zugezogen und hat sich bewusst für den Bergkanton als Wohn- und Wirkungsstätte entschieden. «Und in Graubünden findet auch sehr viel wertvolle Wissenschaft Platz», sagt sie. Wir müssen beide ein bisschen lachen. Graubünden ist für vieles bekannt, für seine Forschung eher weniger. Ein Kanton ohne Universität als Wissenschaftsjuwel? Ja, meint Barbara Haller Rupf. Es gebe hier viel zu forschen. Und viele Menschen, die das tun. Die forschen, lehren und ausbilden. Sie blickt nochmals aus dem Fenster. «Wir fahren übrigens gerade von einem grossen Forschungsstandort zum nächsten. Vom Bündner Rheintal nach Davos.» Und wie der Zug verbinde auch die Academia Raetica die einzelnen Standorte und Forschungsdisziplinen. Sie baue Brücken und fördere den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft.

Forschende unterstützen und Wissenschaft kommunizieren

Apropos Brückenbauen. Das sei auch das, was Barbara Haller Rupf an ihrem neuen Job am meisten fasziniere. «Ich lehre unglaublich gerne», sagt sie. Deshalb schaue sie auch ganz besonders zu Forscherinnen und Forschern auf, die die Fähigkeit hätten, ihre Erfindungen einfach zu erklären. «Ich kann nicht nur einen Namen nennen. Das wird allen anderen nicht gerecht.» Sie habe viele Vorbilder. Auch passionierte Expertinnen und Experten mit grosser Neugier. Schon als Kind habe sie zu Menschen hochgeschaut, die Neues entdeckten, wie René Gardi oder mit ihrem Wissen in die Welt zogen wie der «Urwaldarzt» Albert Schweitzer oder die Schimpansenforscherin Jane Goodall. Menschen, die wie sie auch, öfter mal neue Wege gingen. Neuland betraten. Wissenschaftliches, Geografisches, Kulturelles.

Wenn man mit Barbara Haller Rupf spricht, führt ein Thema zum anderen. Sie spricht viel mit Metaphern und bedient sich einer bildlichen Sprache. Zieht Vergleiche. Erklärt anschaulich. Und kommt immer wieder auf die Academia Raetica zurück. Auf die Forschung und Wissenschaft im Kanton. Und auch da hat sie ein klares Ziel vor Augen. «Mein Traum wäre eine Art Silicon Valley für die Forschung am, im und mit dem Gebirge», sagt sie. Der Zug hält in Davos Platz. Barbara Haller legt den Stein wieder in den Rucksack. Sie schultert diesen und steigt aus.

 

* Der Artikel von Cindy Ziegler wurde mit freundlicher Genehmigung aus der Büwo übernommen.

 

Die Academia Raetica
Die Academia Raetica mit Sitz in Davos ist die Vereinigung der wissenschaftlich tätigen Institutionen, Hochschulen und Kliniken im Kanton Graubünden. Sie wurde 2006 gegründet und vertritt über 20 Mitglieder. Die Academia Raetica fördert die Fort- und Weiterbildung, Arbeit und Entwicklung von Forschenden. Sie unterstützt ihre Mitglieder beim Netzwerken und in der Zusammenarbeit. Sie kommuniziert mit kantonalen Ämtern und Industriepartnern und fördert den interdisziplinären Dialog. Zudem informiert sie Öffentlichkeit und Politik über die Bedeutung der Forschung und unterstützt die Regierung bei der Umsetzung ihrer Hochschul-, Forschungs- und Innovationsstrategien.
www.academiaraetica.ch

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