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Genfer Forscher schwächen ein verbreitetes gefährliches Bakterium

Pseudomonas aeruginosa ist ein höchst gefährliches Bakterium, das unter anderem in Wasserrohren und medizinischen Geräten siedelt. Forschenden der Uni Genf ist es gelungen, einen Bestandteil des Erregers zu identifizieren, dessen Fehlen das Bakterium abschwächt.

Agentur
sda
20.06.21 - 23:05 Uhr
Wirtschaft
Martina Valentini, leitende Forscherin in der Abteilung für Mikrobiologie und Molekularmedizin an der medizinischen Fakultät der Unige. Sie leitete das Forschungsteam, das einen Weg fand, das gefährliche Stäbchenbakterium Pseudomonas aeruginosa…
Martina Valentini, leitende Forscherin in der Abteilung für Mikrobiologie und Molekularmedizin an der medizinischen Fakultät der Unige. Sie leitete das Forschungsteam, das einen Weg fand, das gefährliche Stäbchenbakterium Pseudomonas aeruginosa…
Foto Valentina Martini

Pseudomonas aeruginosa kann akute und chronische Infektionen verursachen, die für Menschen mit geschwächtem Immunsystem potenziell tödlich sind. Sein Vorhandensein in klinischen Einrichtungen, wo es Beatmungsgeräte und Katheter besiedeln kann, stellt an sich schon eine ernsthafte Bedrohung dar. Da es darüber hinaus sehr anpassungsfähig ist und gegen viele Antibiotika Resistenzen entwickelt, wird es immer schwieriger, Infektionen mit diesem Bakterium Herr zu werden.

Wissenschaftler der Universität Genf (Unige) haben einen bisher unbekannten Regulator der Genexpression in diesem Bakterium identifiziert, dessen Fehlen die Infektionskraft von P. aeruginosa und seine Gefährlichkeit deutlich reduziert. Diese Ergebnisse, die in der Zeitschrift Nucleic Acid Research veröffentlicht werden, könnten entscheidend sein im Kampf gegen diesen Erreger, wie die Unige in einer Mitteilung vom Freitag schreibt.

Das aggressive Bakterium wird zahm

Im Fokus steht eine spezifische RNA-Helikase, die auch in anderen Krankheitserregern vorkommt, deren Funktion man bisher aber nicht kannte. «Wir wollten verstehen, welche Rolle diese Helikase spielt, insbesondere in Bezug auf die Pathogenese der Bakterien und ihre Anpassung an die Umwelt», erklärt Martina Valentini, leitende Forscherin in der Abteilung für Mikrobiologie und Molekularmedizin an der medizinischen Fakultät der Unige und Inhaberin eines SNF «Ambizione»-Stipendiums.

Ihr Team kombinierte biochemische und molekulargenetische Ansätze, um die Funktion dieses Proteins zu ermitteln. «In Abwesenheit dieser RNA-Helikase vermehrt sich P. aeruginosa in vitro normal, sowohl in einem flüssigen Medium als auch auf einem halbfesten Medium bei 37°C», berichtet Stéphane Hausmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung für Mikrobiologie und Molekulare Medizin an der medizinischen Fakultät der Unige und Erstautor der Studie.

10 statt 80 Prozent der Infizierten starben

«Um festzustellen, ob die Infektionsfähigkeit der Bakterien beeinträchtigt wurde, mussten wir sie in vivo in einem lebenden Organismus beobachten.» Die Wissenschaftler wählten dafür Galleria mellonella-Larven, ein Modellinsekt zur Untersuchung von Wirt-Pathogen-Interaktionen. Das angeborene Immunsystem von Insekten hat wichtige Ähnlichkeiten mit dem von Säugetieren. Darüber hinaus gedeihen diese Larven bei menschlicher Körpertemperatur.

Drei Gruppen von Larven wurden beobachtet; in der ersten Gruppe überlebten nach Injektion einer Kochsalzlösung 100 Prozent ihrer Population. In Gegenwart eines normalen Stammes von P. aeruginosa überlebten 20 Stunden nach der Infektion weniger als 20 Prozent. Wenn P. aeruginosa dagegen das RNA-Helikase-Gen nicht mehr besass, blieben über 90 Prozent der Larven am Leben. «Die modifizierten Bakterien wurden fast harmlos, blieben aber sehr lebendig», sagt Stéphane Hausmann.

Abschwächen ist besser als abtöten

Die Entschärfung des Bakteriums ist seiner völligen Vernichtung überlegen. «Denn wenn wir versuchen, die Bakterien um jeden Preis zu töten, werden sie sich anpassen, um zu überleben, was das Auftreten resistenter Stämme begünstigt», sagt Valentini.

Das Genfer Team testet zur Zeit bekannte Medikamentenmoleküle auf ihre Fähigkeit, dieses Protein selektiv zu blockieren.

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