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Das grosse Warum und die Weigerung, klein beizugeben

Die Personalrekrutierung für die Wintersaison ist auch in normalen Jahren ein herausforderndes Unterfangen. Dieses Jahr ist es aber besonders aufwendig die nötigen Fachkräfte zu bekommen. Erschwert wird die Situation durch einen noch nie da gewesenen Engpass bei den Unterkünften.

Barbara
Gassler
03.12.21 - 06:30 Uhr
Wirtschaft
Der Start in die Wintersaison bringt zusätzlich zu Corona noch weitere Herausforderungen.
Der Start in die Wintersaison bringt zusätzlich zu Corona noch weitere Herausforderungen.
Marcel Giger (snow-world.ch)

Die Beobachtung, dass weniger Personal in ihrem Sektor vorhanden ist, bestätigt Tamara Henderson, Präsidentin von Hotel Gastro Davos (HGK): «Es sind dieses Jahr sicher mehr Stellen noch nicht besetzt als vor Corona. Ich denke, das hat damit zu tun, dass wir doch einige Mitarbeiter an andere Branchen verloren haben, weil letztes Jahr viele Restaurants für lange Zeit geschlossen waren.» Sie bestätigt auch die Feststellung, dass die Schweiz von den Schliessungen in Österreich profitiert: «Es kommen jetzt wieder mehr Bewerbungen aus Österreich, weil dort viele Betriebe zu sind.» Probleme bei der Personalrekrutierung haben auch andere Unternehmen. «Das habe ich in meinen vielen Jahren in Davos noch nie erlebt», sagt etwa Urs Wiprächtiger, Inhaber von Schneider’s Davos. «Die Personalsituation ist sehr eng. Wir mussten bereits die Abendöffnung unseres Restaurants um drei Wochen auf den 17. Dezember verschieben.» «Noch nie mussten wir einen solchen Aufwand für die Personalsuche betreiben. Erst gerade jetzt konnten wir den letzten Vertrag abschliessen», bestätigt auch Cyrill Ackermann, Direktor des Hotels Grischa. Das habe Auswirkungen auf die Qualität. «Nur schon deutschsprachiges Personal zu finden, ist ausgesprochen schwierig. Schweizer haben wir in Küche und Service gar keine.» Mühe, ihre Stellen zu besetzen, bekunden auch die Davos Klosters Bergbahnen. Deren Marketingchefin Martina Walsoe erklärt auf Anfrage: «Wir spüren in diesem Winter eine schwierigere Personalsituation als in anderen Jahren, insbesondere im Bereich Hotellerie und Gastro.» Doch sie zeigt sich zuversichtlich, auch die letzten Vakanzen noch füllen zu können: «Wir werden die Stellen noch besetzen können oder wenn nötig intern Aufgaben anders verteilen.

Wo sind die Wohnungen?

Für Henderson liegt ein grosser Teil des Problems in der Unterkunftssituation: «Ich suche seit einem Monat ein Zimmer für meinen zweiten Koch und finde nichts. Das ist sehr mühsam. Er kann nur nach Davos kommen, wenn ich ein Zimmer für ihn habe. Das war noch nie so schwierig wie diese Saison.» Eine Feststellung, die von den anderen Angefragten bestätigt wird. Walsoe: «Auch die Wohnsituation ist in diesem Jahr schwieriger als andere Jahre.» Die Leute würden ihr Kommen vom Vorhandensein einer Unterkunft abhängig machen, bestätigt Wiprächtiger, und Ackermann stellt fest: «Es wird eine Unterkunft erwartet.»

Wird die Davoser Wirtschaft auch dieses Jahr den Weg durch den Schnee finden?
Wird die Davoser Wirtschaft auch dieses Jahr den Weg durch den Schnee finden?
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Verzweifelte Suche

Darüber, warum so wenige Wohnungen für Saisonarbeitskräfte zur Verfügung stehen, kann nur gemutmasst werden. Henderson: «Ich habe keine Ahnung, worauf das zurückzuführen ist. Ob einige Wohnungen dieses Jahr wieder fürs WEF vermietet werden, oder ob wir plötzlich mehr Wohnungen brauchen, ich weiss es wirklich nicht. Was man dagegen tun kann, weiss ich auch nicht. Schwierig.» Bisher war es eine bewährte Strategie, dass Unterkünfte, die im Sommer für Baumitarbeiter genutzt wurden, im Winter dem Gastronomiepersonal zur Verfügung standen. Doch auch Andrea Jägli, Mitinhaber des Bauunternehmens Jägli und Schneider, konnte dieses Jahr nicht helfen. Nach zahllosen Anfragen verzweifelter Gastronomieunternehmer kommt er zur Feststellung: «Ich habe keine Ahnung, wo die Unterkünfte geblieben sind.» Zwar brauche er dieses Jahr drei Betten für eigene Leute, doch die Nachfrage sei brutal. «Da kommt es auf die wohl nicht an.»

Spekulieren auf das WEF?

«Sicherlich hoffen einige Vermieter darauf, die Wohnungen während des Jahrestreffens des WEF teuer vermieten zu können», stellt Ackermann fest. «Wir erhalten durchaus Angebote, allerdings mit dem Passus, sie während dieser Zeit freigeben zu müssen. Das geht natürlich überhaupt nicht.» Um die Unterbringung seiner Mitarbeitenden habe er sich bisher noch nie kümmern müssen, doch dieses Jahr verwende er viel Zeit darauf, sagt Wiprächtiger. «Ich habe keine Ahnung, warum das so ist.» Selber Wohnungen für die Mitarbeitenden anzumieten, nötigenfalls sogar ganzjährig, soweit will er allerdings noch nicht gehen. «Das wäre ein absoluter Luxus.» Andere beschreiten diesen Weg bereits, zumindest für diese Wintersaison. «Wir haben Wohnungen für Wohngemeinschaften und Studios gemietet», sagt Ackermann. Bei den DKB ist man noch einen Schritt weiter. «Wir spüren, dass einige ihre Wohnungen wieder mehr selbst nutzen und daher weniger Angebot zur Verfügung steht», sagt Walsoe. «Aus diesem Grund haben wir immer einen wichtigen Teil an eigenen Wohnungen und Unterkünften.»

Angebot zurückfahren?

Wie gross die Auswirkungen der aktuellen Situation auf die Wintersaison sein werden, ist aktuell schwer abzuschätzen. Alle angefragten Betriebe konnten bis jetzt irgendwie mit der Situation umgehen und auch Henderson glaubt an die Flexibilität ihrer Berufskollegen: «Es gibt sicher Betriebe, die dann einfach weniger Service anbieten oder vielleicht eine kleinere Karte. Dass Betriebe nicht öffnen können, weil sie zu wenig Mitarbeiter haben, glaube ich aber eher nicht.»

So unbeschwert wie hier vor Corona wird es wohl den ganzen Winter nicht werden.
So unbeschwert wie hier vor Corona wird es wohl den ganzen Winter nicht werden.
Marcel Giger (snow-world.ch)

Corona bereitet wieder mehr Sorgen

Mehr Sorgen macht sich die Präsidentin von HGK bezüglich der steigenden Fallzahlen bei den Infektionen mit Covid-19 und der zusätzlichen Verunsicherung durch die neue Variante Omikron. Stornos habe sie bis jetzt noch keine annehmen müssen, doch bei einer Verschärfung der Massnahmen könne sie sich durchaus solche vorstellen. «Ich habe zum Beispiel Gäste aus Grossbritannien und diese kommen nur, wenn die Quarantäne wieder aufgehoben wird.» Unternehmen kann sie da nichts: «Wir werden also sehen, was der Bundesrat macht und auch, was die Länder entscheiden.» Dass ihre Einschätzung richtig ist, bestätigt die Antwort der DKB: «Wir haben im Moment viele Stornierungen aus den Ländern mit neuen Quarantäneregulierungen, da diese im Moment nicht einreisen können. Daher betrifft es vor allem Buchungen der nächsten ein bis zwei Wochen.»

Bleibt das Prinzip Hoffnung

Wie kann in einer solch volatilen Situation ein Betrieb überhaupt geplant werden? Womit sehen sich die Gastronomen konfrontiert? Prognosen seien zum jetzigen Zeitpunkt reine Spekulation, sagt Walsoe und Henderson stellt fest: «Momentan ist es wieder schwierig, eine Prognose abzugeben. Bis vor zwei Wochen hätte ich noch gesagt, dass es ein guter Winter wird. Jetzt sieht alles schon wieder etwas anders aus.» Entmutigen lassen wollen sie sich aber nicht. «Ich wünsche mir, dass wir trotz der ganzen Umstände einigermassen gut arbeiten können, die Schweizer Gäste zu uns kommen und die Pisten geniessen können», formuliert es Henderson. Ausserdem wäre es für die Gastronomie auch wichtig, dass das WEF stattfinde und sie so doch wieder in etwa an die Umsätze von vor Corona herankämen. Walsoe kommentiert: «Der letzte Winter hat gezeigt, dass wir die vorgegeben Massnahmen sehr gewissenhaft umsetzen und damit ein Skibetrieb möglich ist. Wir sind zuversichtlich, dass die Gäste auch diesen Winter unser Angebot nutzen dürfen.» Denn sie hätten viel in ihr Angebot investiert, die Pisten seien bereit. «Nun hoffen wir, dass unsere Gäste dieses Angebot auch nutzen können und wir damit eine gute Wintersaison haben werden.»

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