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Das Stimmrecht im Stockwerkeigentum – wann gilt welches Mehr?

Als Stockwerkeigentümer ist man Teil einer Gemeinschaft mit diversen Rechten und Pflichten. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei dem Ausüben des Stimmrechts. Grundsätzlich gilt das Kopfstimmrecht. Je nach Situation und Projekt unterliegen Beschlüsse anderen Mehrheitsverhältnissen.Eine wichtige Rolle spielt dabei das Reglement der Stockwerkeigentüme

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01.02.19 - 08:59 Uhr
Abstimmen per Handzeichen
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von Reto Nick / Geschäftsführer des Hauseigentümerverbands Graubünden, www.hevgr.ch

Das Stimmrecht stellt ein Grundrecht des Stockwerkeigentümers dar – es kann ihm weder entzogen werden, noch kann er darauf verzichten. Der Stockwerkeigentümer muss sein Stimmrecht in der Stockwerkeigentümerversammlung grundsätzlich nicht persönlich ausüben, er kann sich vertreten lassen, sofern das Reglement nichts anderes vorsieht.

Kopfstimmrecht als Grundsatz

Da das Stockwerkeigentumsrecht vom Kopfstimmprinzip ausgeht, steht jedem Stockwerkeigentümer in der Versammlung nur eine Stimme zu. Dies gilt auch für einen Eigentümer, dem mehrere Stockwerkeinheiten gehören. Letztlich ist jedoch das Reglement der Stockwerkeigentümergemeinschaft massgebend.

Wann gilt einfaches Köpfe-Mehr?

Einfaches Mehr bedeutet, dass die Mehrheit der anwesenden und vertretenen Eigentümer massgebend ist. Nicht anwesende oder nicht vertretene Eigentümer zählen nicht.

Allerdings muss die Stockwerkeigentümerversammlung beschlussfähig sein. Mit einfachem Mehr werden insbesondere Beschlüsse über das Tagesgeschäft und über notwendige bauliche Massnahmen getroffen.

Wenn es sich um nützliche oder verschönernde bauliche Massnahmen handelt (zum Beispiel Verschönerung der Garageneinfahrt), ist das qualifizierte Mehr notwendig. Für luxuriöse bauliche Massnahmen ist Einstimmigkeit gefordert. Auch hier kann aber das Reglement andere Bestimmungen und Quoren enthalten.

Wann gilt das qualifizierte Mehr?

Qualifiziertes Mehr bedeutet, dass eine Mehrheit nach Köpfen und Anteilen (Wertquoten) aller Eigentümer massgebend ist. Dem qualifizierten Mehr unterliegen Beschlüsse von besonderer Bedeutung oder von grösserer finanzieller Tragweite. Aber auch nützliche oder verschönernde bauliche Massnahmen und Beschlüsse über den Erlass und der Abänderung des Reglements gehören dazu.

Wann gilt Einstimmigkeit?

Für einzelne Beschlüsse stellt das Gesetz auf die Einstimmigkeit ab. Darunter fallen unter anderem Beschlüsse über luxuriöse bauliche Massnahmen – so zum Beispiel der Bau einer luxuriösen Marmortreppe oder eines überdimensionierten Hallenbads – dann aber auch Verfügungen über das Stammgrundstück – zum Beispiel Änderungen im Begründungsakt bezüglich der Aufteilung zwischen Sonderrecht und gemeinschaftlichem Eigentum – oder die Änderung der Zweckbestimmung im Reglement. Zusammenfassend kann man sagen, dass gemäss Bundesgerichtsentscheiden Einstimmigkeit bei baulichen Massnahmen eher selten gefordert ist.

Wie Projekt ohne Mehrheit realisieren?

Wenn die Minderheit einer Stockwerkeigentümergemeinschaft ein Projekt umsetzen möchte, ist dies möglich, wenn die Kosten für ein Projekt nur von diesen getragen werden. Allerdings dürfen dabei die nicht zustimmenden Eigentümer in ihrem Nutzungs- und Gebrauchsrecht nicht dauernd beeinträchtigt werden. Einzelfälle hingegen sind in der Regel genauer abzuklären.

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Wie ist es, wenn die Gemeinschaft von eigenen Miteigentümern verklagt wird, z.B. Anfechtung eines Versammlungsbeschlusses? Dann muss eine Rechtsvertretung durch die Mehrheit der beklagten gewählt werden, z.B. Vollmacht an die Hausverwaltung. Das ist Standard.

Was ist aber, wenn es in der Klage um das Stimmrecht selber und das Reglement geht? Dieses kann man sonst nur einstimmig ändern. Genügt dann trotzdem einfache Mehrheit der beklagten Miteigentümer oder müssten diese sich alle einzeln vertreten bzw. auch die einzelnen, die der Verwaltung keine Vollmacht geben, einzeln rechtlich Gehör vor Gericht erhalten?

Denn sonst könnte man das Gebot zur Einstimmigkeit von Reglementsänderungen durch Klage gegen die Gemeinschaft auf lediglich einfache Mehrheit zur Vollmachtserteilung zur Prozessführung reduzieren - und der Bevollmächtigte könnte sich sogar mit den Klägern einigen, somit also das Reglement ohne Einstimmigkeit durch einfache Mehrheit ändern. Unterm Strich eine Umgehungsstrategie zur Reglementsänderung.

Müsste dies nicht verhindert werden, indem das Gericht dann alle Eigentümer rechtlich anhört statt nur einen mehrheitlich bestimmten Bevollmächtigten als Partei im Prozess anzuerkennen?

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