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«Beim Besuch in New Glarus musste ich den Tell spielen»

In der Doku-Serie «verkehrte Welt» tauscht die Familie Micheroli aus Glarus für eine Woche ihr Leben mit der Familie Streiff aus New Glarus. Dabei ist ihnen aufgefallen, wie wichtig den New Glarnern Schweizer Traditionen sind.

Südostschweiz
14.02.14 - 01:00 Uhr

Von Kira Girolimetto

Glarus/New Glarus – «Obwohl ich überhaupt nicht jodeln kann, hatte ich in New Glarus schliesslich einen Auftritt mit dem Jodelclub», erzählt Renato Micheroli aus Glarus und lacht bei dieser Erinnerung. Ende September des vergangenen Jahres besucht er mit seiner Familie New Glarus im US-Bundesstaat Wisconsin, um dort für die SRF-Doku-Serie «Verkehrte Welt» (siehe Box) für eine Woche in das Leben von Familie Streiff einzutauchen. Zu diesem «Tausch» gehört alles – das Haus, die Freunde und sogar die Hobbys.

So schlüpft Renato Micheroli für eine Woche in die Rolle von Matt Streiff und bewirtschaftet mit dessen Vater das Landgut der Familie. Auch die Theaterrolle des Wilhelm Tell darf er von Matt übernehmen. «Ich musste doch tatsächlich Wilhelm Tell spielen und dies ausgerechnet in der Szene, in der er Gessler erschiesst», sagt Micheroli schmunzelnd. Die Szene sei sehr schwer zu spielen gewesen, weil das Drehbuch auf altenglisch geschrieben wurde. «Auch das Jodeln hat mir zu schaffen gemacht», erzählt er belustigt weiter. Denn zu Matts Hobbys gehört auch das Jodeln. So muss Micheroli wohl oder übel auch dessen Platz im Jodelclub übernehmen.

New Glarus auch amerikanisch

Statt den Job von Becky Streiff im Kindergarten zu übernehmen, besucht Primarlehrerin Rahel Micheroli einen Tag die Schule von New Glarus. Dort erzählt sie den Schülern vom Leben in der Schweiz. Dabei sei ihr aufgefallen, dass die Schule ganz anders geführt werde als in der Schweiz: «Die Lehrerin steht hinter einem Rednerpult und hält Frontalunterricht.» Auch hätten die wenigsten Kinder Glarner Wurzeln, was sie etwas erstaunt habe. «Da sieht man überhaupt keinen Bezug mehr zum Glarnerland oder zur Schweiz.»

Mit der amerikanischen Kultur kommt auch Sohnemann Loris in Kontakt: So spielt er wie ein echter Amerikaner American Football und darf sogar als Kicker an einem Meisterschaftsspiel teilnehmen.

Grosses Interesse an New Glarus

«Die Entscheidung fiel sehr spontan», beschreibt Renato Micheroli den Beginn ihres grossen Abenteuers. «Rahel erzählte mir von der Doku-Serie ‘verkehrte Welt’ und fragte mich, ob wir nicht mitmachen wollen. Und ich dachte mir: wieso nicht?» Rahel Micheroli selbst erfährt vom Projekt durch Mund-zu-Mund-Propaganda.

Über die schnelle Zusage ihres Mannes sei sie sehr überrascht gewesen. «Ich hätte nicht gedacht, dass Renato eine Teilnahme ernsthaft in Erwägung ziehen würde», meint sie lachend. Und damit, dass sich die Jury beim Casting schliesslich für sie entscheidet, hätte Rahel Micheroli noch weniger gerechnet.

Besonders interessiert am ganzen Projekt habe sie die Auswanderer-Thematik. «In meiner Kantizeit war New Glarus ein grosses Thema. Viele Schüler planten ein Austauschjahr dorthin», sagt sie. Auch Renato Micheroli interessiert, was an New Glarus noch «glarnerisch» ist: «Ich war neugierig, wie die Amis ‘unser Glarus’ so leben.»

Traditionen werden weitergegeben

Was sie dann erleben, ist eine Überraschung. Den Bewohnern von New Glarus sei Schweizer Tradition extrem wichtig, erzählt Rahel Micheroli. So würden die meisten Kinder entweder Schwyzerörgeli spielen oder in einem Jodelchor mitsingen. Auch Alphorn werde häufig gespielt und die Glarner Trachten regelmässig aus dem Kasten geholt. «Die Traditionen werden von Generation zu Generation weitergegeben», sagt Renato Micheroli.

«Würde Loris Schwyzerörgeli spielen, würde er in Glarus ganz klar zur Minderheit gehören. In New Glarus ist das dagegen völlig normal», erzählt Rahel Micheroli. Doch wieso sind die Schweizer Traditionen den New Glarnern so wichtig? «Weil die Amerikaner kaum eigene Traditionen haben», antwortet Renato Micheroli. «Die Amerikaner sind ursprünglich fast alle Auswanderer. Deshalb halten sie nostalgisch an den Traditionen ihres Herkunftslandes fest.»

Glarus sei in New Glarus auf jeden Fall sehr präsent. «Auf den Grabsteinen des Friedhofes entdeckt man viele Glarner Nachnamen wie ‘Hösli’, ‘Zentner’ und ‘Kubli’.»

Tauschfamilie nie kennengelernt

«Wir haben die Familie Streiff zufällig bei unserer Abreise auf dem Flughafen getroffen», erzählt Rahel Micheroli. «Es war ein persönlicher Abschluss einer grossen Story.» Das Treffen sei sehr emotional gewesen, weil sie sich der Familie Streiff sehr verbunden fühlten. Doch ein richtiges Kennenlernen gab es bisher noch nicht. Das wollen sie aber nachholen: «Im Juni kommt uns die Familie Streiff besuchen», sagt Rahel Micheroli.

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