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Gefahren im Netz: Cybercrime in Graubünden

Der Cybercrime-Dienst der Kapo Graubünden ermittelt in Fällen von digitaler Kriminalität.

Bündner Woche
02.03.23 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Zusammenarbeit: Christoph Scherer (links) und Mediensprecher Roman Rüegg vor der langen Computerzeile.
Zusammenarbeit: Christoph Scherer (links) und Mediensprecher Roman Rüegg vor der langen Computerzeile.
Bild Susanne Turra

von Susanne Turra

«Es kann alle treffen», betont Christoph Scherer gleich zu Beginn. «Die stereotype Person, die Opfer eines Cyberdelikts wird, gibt es nicht.» Der Leiter Spezialdienst Cybercrime der Kantonspolizei Graubünden steht vor seiner langen Computerzeile. Fünf Geräte sind es, die er gleichzeitig bedient. 14 Mitarbeitende insgesamt, die mittlerweile im digitalen Dienst arbeiten. Polizei- und Zivilangestellte. Alle mit entsprechender Ausbildung. Der Sicherheitsexperte selber bringt Fachkenntnisse in Betriebswirtschaft, digitaler Forensik und als Polizist mit. Und die Fälle häufen sich. Die Cyberdelikte nehmen jährlich um 30 Prozent zu. Das erstaunt nicht. In dieser nicht aufzuhaltenden, unendlichen Welt der Digitalisierung. «Es ist eine grosse Herausforderung»,bestätigt der Fachmann. «Ein komplexes Thema. Abstrakt. Und manchmal auf den ersten Blick nicht greifbar.» Für Christoph Scherer indessen Alltag. Und eine Passion.

Doch, was ist Cyberkriminalität eigentlich genau? Und gehören der «Enkeltrick» und die «Falschen Polizisten» auch dazu? «Diese Delikte sind kein Cyberphänomen», erklärt der Experte. «Aber sie haben Bezug zu digitalen Spuren.» Es gibt nämlich zwei verschiedene Formen von Cyberkriminalität. Cybercrime im engeren Sinn: Das sind Delikte gegen die Informationstechnologie. Gegen Computer und Netzwerk. Ein Hackerangriff, beispielsweise. Und Cybercrime im weiteren Sinn: Das betrifft Delikte, die es schon seit eh und je gibt. Die aber heute vermehrt mit digitalen Hilfsmitteln begangen werden. Dazu gehören unter anderem die klassischen Betrugsdelikte. Wie eingangs erwähnt, nehmen die Cyberdelikte rasant zu. Weltweit, schweizweit und auch in Graubünden.

Das Risiko erwischt zu werden, wird kleiner

«Die Gesellschaft bewegt sich viel häufiger im digitalen Raum als früher», gibt Christoph Scherer zu bedenken. Und: «Für die Täterschaft ist es zunehmend bequemer, das Delikt von Zuhause aus von irgendwo zu begehen.» Das Risiko, erwischt zu werden, wird aufgrund von Anonymisierungsmöglichkeiten kleiner. Und die Herausforderung für die Polizei wird grösser. Die Delikte werden komplexer. Die Technologie verändert sich laufend. Und die Täterschaft organisiert sich immer besser.

Identifizieren und lokalisieren

Vor sechs Jahren ist der Cybercrime Dienst ins Leben gerufen worden. Er ist in drei Fachgebiete unterteilt: IT-Forensik, Analysestelle und Cybercrime Ermittlungsdienst. Die IT-Forensik beschäftigt sich mit der Spurensicherung im digitalen Raum. Die Spuren suchen, sichern und so aufbereiten, dass sie später vor Gericht verwertbar sind. Bei der Analysestelle werden die vorhandenen Daten analysiert und interpretiert. Und der Cybercrime Ermittlungsdienst versucht, die Täterschaft zu identifizieren und lokalisieren. Ganz wichtig dabei: «Wir können nicht allein ermitteln», so Christoph Scherer. «Wir sind auf Zusammenarbeit angewiesen. Auf Kooperationen.» Damit sollen Kräfte gebündelt werden. Einerseits mit weiteren Polizeistellen der Schweiz. Und andererseits global mit Interpol und Europol. Weltweit wird laut einer Studie von «McAfee» mit Schäden von bis zu einer Billion Franken gerechnet. Allein in Graubünden sind im letzten Jahr 621 Strafanzeigen eingegangen. Und die Dunkelziffer liegt noch deutlich höher. Diese sollte dringend reduziert werden. Und deshalb bittet die Polizei auch darum, ein Delikt in jedem Fall anzuzeigen. Die Hemmschwelle muss abgebaut werden. Denn mit jeder Anzeige haben die Fachkräfte die Möglichkeit, das Verhalten der Täterschaft besser zu verstehen oder sie bestenfalls zu identifizieren. Womöglich können so weitere Delikte verhindert werden. Und genau das ist der Punkt. Ziel ist, dass es gar nicht erst zu einem Delikt kommt.

Mit gesundem Menschenverstand

Und wie kann man sich vor Cyberangriffen schützen? Das Zauberwort heisst Prävention. «Neben der Ermittlung ist die Präventionsarbeit mit der Kommunikationsabteilung ein ganz wichtiger Bestandteil», betont Christoph Scherer. «Das alles ist aber sehr kostenintensiv, da wir die entsprechenden Ressourcen benötigen.» Die Verbrechen nehmen zu. Genau so, wie das Bevölkerungswachstum. Neue Handlungsfelder machen sich breit. Neue Phänomene. Und das Bestehende bleibt. Die Privatpersonen bewegen sich mehr im digitalen Raum. «Wir kaufen online ein. Wir knüpfen online Kontakte. Wir bezahlen digital», so der Sicherheitsexperte. Auch bei den Unternehmen ist es nicht anders. Je mehr vernetzte Geräte in der Unternehmung vorhanden sind, desto grösser ist die Gefahr. Und nicht zuletzt werden auch betagte Menschen teilweise in die digitale Welt gezwungen. Ebenso die Kinder. «Ein heikles Thema», bestätigt Christoph Scherer. «Die Kinder müssen lernen, sorgsam mit den sozialen Medien umzugehen.» Es gilt, sich mit der Digitalisierung auseinanderzusetzen. Berührungsängste abzubauen. Das Netz birgt aber nicht nur Gefahren. Auch Chancen. Man soll sich im Internet bewegen können. Der Digitalisierung positiv gegenüberstehen. Mit gesundem Menschenverstand.

Gesundes Misstrauen: Wer digital einkauft oder bezahlt, sollte aufmerksam und achtsam bleiben. Pressebild
Gesundes Misstrauen: Wer digital einkauft oder bezahlt, sollte aufmerksam und achtsam bleiben. Pressebild

Zurück zur Prävention. Tipps dazu gibt es in der nationalen Kampagne «SUPER» (siehe Box). Sichern. Updaten. Prüfen. Einloggen. Reduzieren. Fünf einfache Schritte, die zu grösserer Sicherheit führen. «Reduzieren ist ein ganz wichtiger Punkt», betont Christoph Scherer. «Wer sich im virtuellen Raum bewegt, sollte eine gewisse Aufmerksamkeit und Achtsamkeit an den Tag legen.» Ein Angebot im Internet hinterfragen. Ist es plausibel? Ist es legitim? Ist es möglich? Ist es realistisch? Ist es nachvollziehbar? Ist es fehlerfrei? Aber Achtung. Eine verbrecherische Mail muss heute nicht mehr fehlerhaft geschrieben sein. Die Künstliche Intelligenz «Chat GPT» sorgt mittlerweile für fehlerfreie Texte. In diesem Fall gilt es, den Absender oder den Link ein bisschen genauer unter die Lupe zu nehmen.

Der klassische Liebesbetrug

Die Weiterentwicklung von Themen wie Kryptowährungen, Blockchain und Metaverse werden künftig das Phänomen Cybercrime prägen. Aber auch klassische Phänomene wie Liebesbetrug im Netz, sogenannter Romance Scam, werden weiterhin zunehmen. Die Opfer tragen neben dem finanziellen oft auch einen emotionalen Schaden davon. Was, wenn man in die Falle tappt? Christoph Scherer zählt auf. «Die Hausbank kontaktieren, um Zahlungen zu stoppen, Beweise sichern und Strafanzeige erstatten.»

Wir gehen einige Stockwerke tiefer. Wir möchten noch kurz ins Darknet. Jenes dunkle Netz, in dem sich viele Kriminelle tummeln und es viel Verbotenes zu kaufen gibt. Kein Problem für Christoph Scherer. Nach einigen Handgriffen sind wir drin. Im Darknet. Wie es genau geht, werden wir an dieser Stelle nicht beschreiben.

«SUPER» für mehr Sicherheit
 
S wie Sichern:
 Sichern Sie Ihre Daten regelmässig auf mindestens einem zweiten Medium.
U wie Updaten: Aktualisieren Sie Ihr System, Ihre Programme und Apps regelmässig auf die neuste Version.
P wie Prüfen: Prüfen Sie bei Ihrem Gerät, ob ein Virenschutzprogramm installiert ist und laufend aktualisiert wird.
E wie Einloggen: Loggen Sie sich nur mit starken Passwörtern ein.
R wie Reduzieren: Reduzieren Sie Betrugsrisiken im digitalen Raum mit einer gesunden Portion Misstrauen.

Mehr dazu unter www.s-u-p-e-r.ch

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