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Die glänzenden Gläser machen krank

Eigentlich betreibt Professor Cezmi Akdis als Direktor des Schweizerischen Instituts für Allergie- und Asthmaforschung (SIAF) SIAF Grundlagenforschung. Vergangene Woche betätigte er sich jedoch als Rufer in der Wüste.

Barbara
Gassler
18.12.23 - 11:44 Uhr
Klima & Natur
Bei einem Vortrag im «Innovation Center Davos» warnte Professor Cezmi Akdis vor Umweltgiften.
Bei einem Vortrag im «Innovation Center Davos» warnte Professor Cezmi Akdis vor Umweltgiften.
bg

 Von der Epithelbarriere-Theorie war in dieser Publikation schon mehrfach die Rede. In der Wissenschaft ist sie inzwischen weitgehend akzeptiert. Zur Erklärung: Die oberste Hautschicht, das Epithel, dient als Schutz vor dem Eindringen schädlicher Stoffe und Organismen. Dieses Epithel bedeckt alle Oberflächen, mit denen der Körper mit der Aussenwelt in Kontakt tritt. Also auch das Atemsystem und den Magen-Darmtrakt. Nun besagt die Hypothese, dass zahlreiche Krankheiten die Folge von geschädigter Haut und Schleimhäute sind. Am bekanntesten sind Allergien und Asthma. Doch die Liste der Beeinträchtigungen, die mit einer Schädigung der Epithelbarriere in Verbindung gebracht werden, ist lang. Sie beginnt mit oberflächlichen Symptomen wie Hautreizungen und geht weiter über Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes und Fettleibigkeit bis hin zu neuropsychi-atrischen Erkrankungen wie Alzheimer und chronischer Depression. Bei jedem dieser Zustände gibt es Hinweise auf eine Wechselwirkung zwischen einer angegriffenen Epithelbarriere und gestörten Körperfunktionen.

Extreme Zunahme

Der stärkste Beweis ist für Akdis jedoch die sprunghafte Zunahme solcher Erkrankungen seit den 1960er-Jahren und deren starke Verbreitung in den industrialisierten Ländern. Das zeigen zum Beispiel Daten der Schweizer Armee. Um 1900 wurde ein Prozent chronische, nicht übertragbare Krankheiten festgestellt. 1960 war die Zahl auf zwei gestiegen, um dann bis 2020 auf zwanzig Prozent hinaufzuschnellen. In Zahlen ausgedrückt litten 1960 weltweit zwanzig bis hundert Millionen Menschen unter solchen Krankheiten, sechzig Jahre später gibt es zwei Milliarden Patienten.

Parallell dazu entwickelte sich die Verwendung einer Vielzahl an chemischen Verbindungen, die in Lebensmitteln, Kosmetika und Reinigungsmitteln eingesetzt werden. Als ein Beispiel führte Akdis Natriumlarylsulfat (SDS, SLS) an, das in bis zu zehn Prozent der Waschmitteln enthalten ist und noch bis zu einer 50 000-fachen Verdünnung giftig wirkt. «Diese Stoffe schädigen das Epithel, durch das dann Allergene, Toxine und Mikroben eindringen können», erklärte Akdis bei der Veranstaltung im «Innovation Center Davos». Diese könnten dann im Körper weiterwandern und Organe schädigen, die weit weg vom Eintrittspunkt liegen.

Globale Gesundheitskrise

Deshalb ist es für den Forscher inzwischen wichtig, die Öffentlichkeit über die Gefahr aufzuklären, die er als globale Gesundheitskrise bezeichnet. Neben vielen wissenschaftlichen Publikationen und der Beratung von internationalen Regierungen wendet er sich nun auch an die Bevölkerung vor Ort. «Seien Sie vorsichtig mit dem, was Sie essen und was Sie verwenden», empfahl Akdis seinen Zuhörenden und nannte ein Beispiel: «In professionellem Geschirrspülmaschinen werden Gläser in ein bis zwei Minuten gewaschen und getrocknet. Doch die auf dem Geschirr verbleibenden Klarspülmittel sind noch in einer Verdünnung von 1:20 000 giftig.» Es gebe genügend Belege für die Toxizität dieser Stoffe, fuhr er fort: «Wir dürfen keine weiteren zehn Jahre warten, sondern sofort damit anfangen, den Kontakt mit ihnen zu meiden.» Um das sofort im Alltag umsetzen zu können, empfahl er, alle Produkte auf ihre Inhaltsstoffe hin zu überprüfen. «Nötigenfalls muss ihre Verwendung reduziert werden. Besser noch Sie ersetzen sie.» Im äussersten Notfall könne auch ein Abspülen helfen. Um sie aber zuerst einmal zu erkennen, empfahl Akdis mit Yuka eine App, die problematische Inhaltsstoffe anzeigt.

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