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Das Schaffen einer Keramikdynastie

Das Rätische Museum in Chur lädt ab heute zur neuen Sonderausstellung. Im Mittelpunkt steht die Familie Lötscher, die in St. Antönien von 1804 bis 1898 Keramikprodukte hergestellt hat.

05.04.19 - 09:27 Uhr
Kultur
Chur
Im Rhätischen Museum in Chur wird eine neue Ausstellung gezeigt.

Geschäftstüchtig und arbeitsam müssen sie gewesen sein, die Lötschers aus St. Antönien. Anfang des 19. Jahrhunderts besetzten sie eine Marktlücke und kamen so innerhalb weniger Jahrzehnte zu erheblichem Wohlstand.

Den Schritt vom Landwirt zum Töpfer und Hafner wagte «Stammvater» Peter Lötscher 1804 im Alter von 54 Jahren. Er war vermutlich 1782 als Wachtmeister aus den Niederlanden zurückgekehrt, wo er Erfahrungen im Hafnerhandwerk gesammelt haben dürfte. Die von ihm gegründete Keramikwerkstatt in St. Antönien sollten die Lötschers während fünf Generationen betreiben. Den Höhepunkt des Erfolgs verkörpert Christian Lötscher (1821–1880), der zum vermögenden Landbesitzer aufstieg und zahlreiche Ämter innehatte.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts setzte industriell produziertes Geschirr das alte Handwerk unter Druck. Der Ausbau der Talstrasse und die neue Bahnstrecke im Prättigau beförderten zudem den Import von auswärtigen Keramikwaren in bisher nicht gekanntem Ausmass. Wohl 1898 musste der letzte Töpfer, Andreas Lötscher, den Familienbetrieb aufgeben.

Zwei Jahre Forschungsarbeit

Der Archäologe Andreas Heege erforschte in den vergangenen zwei Jahren intensiv die Hafnerfamilie Lötscher und ihre Keramik. Erst kürzlich präsentierte er seine Ergebnisse im Buch «Keramik aus St. Antönien», das er zusammen mit dem Archäologischen Dienst Graubünden im Somedia-Buchverlag veröffentlicht hat. Die Ausstellung zum Buch ist nun im Rätischen Museum in Chur zu sehen. Im Juni soll ausserdem eine Schau zum Thema in St. Antönien eröffnet werden.

«Für Graubünden ist die Werkstatt der Lötschers der bedeutendste Hafnereibetrieb in der Neuzeit, was Qualität, Funktionalität und Schönheit der Produkte anbelangt», erklärt Heege. Derselben Meinung war auch der Konservator des Rätischen Museums vor über 100 Jahren: Dank Fritz Jecklin besitzt das Museum heute die grösste Sammlung an Lötscher-Keramik. Dementsprechend konnten die Kuratoren bei der aktuellen Schau aus dem Vollen schöpfen. Zu sehen sind über 100 Objekte: Schüsseln, Töpfe, Ofenkacheln, Wasserleitungen und Kaffeekannen.

Ein Raum ist ganz dem Keramikhandwerk gewidmet. Hier geben unter anderem zwei Filme Einblick in das Metier. Der Besucher stösst in der Schau zudem auf Beispiele von Keramik aus Deutschland und Italien, die im 19. Jahrhundert nach Graubünden importiert wurde. Andere Objekte zeigen, wie schwierig es ist, die Herkunft zu bestimmen: Im Zuge seiner Forschungstätigkeit wies Heege nämlich nach, dass etliche Keramiken nicht wie angenommen aus St. Antönien stammen.

«Lötschers Kacheln – Die Hafner aus St. Antönien». Bis 25. August. Rätisches Museum, Chur.

Valerio Gerstlauer ist Leiter des Ressorts Entertainment & Kultur. Er arbeitet als Kulturredaktor vornehmlich für die Zeitung «Südostschweiz» und die Website «suedostschweiz.ch». Ausserdem ist er einmal in der Woche in der Sendung «Kulturtipp» auf Radio Südostschweiz zu hören. Mehr Infos

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