×

Kunst befragt sich und die Welt

Wie zu einer besseren Welt kommen: «The Premise of a Better Life» heisst die Ausstellung des amerikanischen Künstlers Sam Pulitzer im Kunsthaus Glarus. Eine Ausstellung, für die man etwas Zeit benötigt.

30.10.19 - 04:30 Uhr
Kultur
«Siehst du dich selbst als die Person, als die du erinnert werden möchtest?»: Sam Pulitzer posiert neben Foto mit dieser Frage.
«Siehst du dich selbst als die Person, als die du erinnert werden möchtest?»: Sam Pulitzer posiert neben Foto mit dieser Frage.
SASI SUBRAMIAM

Es sei das Studium seines Lebens. Das sagt der amerikanische Künstler Sam Pulitzer über seine Einzelausstellung in Glarus. Sie bespielt das wiedereröffnete Kunsthaus Glarus vom Schneeli- über den Seitenlicht- bis zum Oberlichtsaal. Als Besucher sollte man etwas Zeit mitbringen für die 57 Fotografien und Collagen. Vor allem auch fürs Übersetzen und Nachdenken über die Fragen, mit denen die Fotos untertitelt sind.

«Siehst du dich selbst als die Person, als die du erinnert werden möchtest?» Der Künstler steht beim Fotoshooting zufällig neben einer Stadtansicht mit dieser Frage. Er lacht. Eine Antwort gibt er nicht.

Auf Fotos daneben sind Eisenbahnschienen in einem Wald zu sehen: «Ist die beste aller möglichen Welten so gut, wie du sie erwarten würdest?» oder «Ist dein Rücken der Geschichte zugewandt?», heisst es da. Schemenhaft erkennt man hinter einem Holzstapel die Skyline einer Grossstadt: «Lebst du sicherer, wenn die Profite höher sind?» Oder dann eine verlas-sene Schaukel: «Behältst du deinen Kopf, wenn andere ihn verlieren?»

New York ist nur exemplarisch

Pulitzers Lebensraum, die Stadt New York, in der er seit 15 Jahren lebt, scheint auf. Die Fotos wurden in den Strassen, in Wohnungen und auch in der Natur aufgenommen. Zu sehen sind alltägliche Dinge wie ein Blumenstrauss, ein heruntergekommenes Ladenlokal, ein Hinweisschild, frisch gebackenes Brot. Menschen kommen keine vor, ausser in einer Montage, in welcher Skulpturen des öffentlichen Raums in New York versammelt sind.

Pulitzer benutzt die Stillleben als Grund, um seine Fragen zu Wirtschaftswachstum, Gerechtigkeit, zur Rolle des Betrachters und des Künstlers in einer Zeit der gesellschaftlichen Krisen zu platzieren. Die Aufnahmen urbaner Tristesse könnten genausogut irgendwo anders auf der Welt als in New York entstanden sein.

«Was führen wir und was führt ihr für ein Leben?»
Judith Welter, Direktorin des Kunsthaus Glarus

«Die aneinander gereihten Fragen bringen Gemeinplätze der Beziehung zwischen Individuum und Gesellschaft, zwischen Leben und Arbeit ins Spiel und schaffen vermeintliche Identität», erklärt Kunsthausdirektorin Judith Welter an der Vernissage. Sie handelten von möglicher Individualität: «Was führen wir und was führt ihr für ein Leben? Wie können wir es optimieren und in welche Richtung wollen wir es verbessern?»

Eigene Form von Weltgeschichte?

Als Hintergrundrauschen begleiten acht Tafeln mit historischen Daten, bekannten und unbekannten Namen sowie mit Zitaten von Philosophen und Politikern in verschiedenen Sprachen die Fotoserie. 1789, 1848, 1933, … Darüber stehen die Akkorde irgendeines Rocksongs. Geht es Pulitzer um so etwas wie eine eigene Form von Weltgeschichte oder will er eher die Idee einer möglichen Universalgeschichte kritisieren? Fragen über Fragen also. Man müsse nicht alles verstehen, sagt Kunsthausdirektorin Judith Welter.

Das Kunsthaus Glarus lädt am Donnerstag um 18 Uhr zu einem öffentlichen Rundgang ein. Art.tv, das Kulturfernsehen im Netz, wird im Laufe dieser Woche einen Beitrag samt Interview mit dem Künstler aufschalten unter www.arttv.ch.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Kultur MEHR