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Achtung: Frösche und Co. sind wieder auf den Strassen unterwegs

Mit dem Frühling kommt die Amphibienwanderung. Das heisst, Grasfrösche, Erdkröten und Bergmolche sind auf Wanderschaft. Diese Reise ist allerdings nicht immer einfach.

Bündner Woche
22.02.24 - 11:00 Uhr
Leben & Freizeit
Vereinte Kräfte: Renata Fulcri (rechts) und Angela Herbst im Einsatz für die Amphibien.
Vereinte Kräfte: Renata Fulcri (rechts) und Angela Herbst im Einsatz für die Amphibien.
Bild Lorena Tino

von Lorena Tino

Renata Fulcri, Vertreterin der Beratungsstelle Amphibien in Graubünden, ist nervös. Jeden Moment könnte es so weit sein und man muss den richtigen Moment erwischen. Ansonsten könnte man sie verpassen. Aber wen? Gemeint sind die Amphibien. Genauer die Grasfrösche, Erdkröten und Bergmolche.

Wenn der Winter sich dem Ende neigt und es draussen nass und dunkel wird, ist das der Startschuss für die Amphibien, auf Wanderung zu gehen. Aus der Winterruhe in steinigen, feuchten Gebieten gehen sie los. Auf die Suche nach einem passenden Gewässer, um sich zu paaren und abzulaichen. Eines dieser Gewässer ist der kleine Weiher beim Nussloch in Mastrils. Hier treiben sich Amphibien wie Grasfrösche und manchmal auch Bergmolche herum. Aber nicht nur sie sind unterwegs. Die freiwilligen Helferinnen und Helfer der Bündner Interessengemeinschaft für Reptilien- und Amphibienschutz (Bigra) leisten hier nämlich wichtige Arbeit.

Auch die «Büwo» ist an einem sonnigen Montagmorgen vor Ort. Wir werden begrüsst von Hündin Wilma. Sie gehört zur Familie Herbst-Locher, die im Nussloch wohnt. Die Hundedame überprüft den Besuch gründlich mit Schnuppern und Bellen. Prüfung bestanden. Die Luft ist rein. Nun dürfen wir auch Frauchen Angela Herbst begrüssen. Gemeinsam mit Renata Fulcri ist sie in der Vormittagssonne vor dem Weiher am Nussloch anzutreffen. Das Nussloch ist ein idyllischer Ort. Eine Handvoll Häuser auf einer Anhöhe an der Kantonsstrasse, die Mastrils und Bad Ragaz verbindet. Direkt an der Strasse befindet sich besagter Weiher. «Es war klar, dass wir uns für die Interessengemeinschaft engagieren, wenn wir an solch einem Ort wohnen. Zudem betreiben wir auch noch eine Vogelpflegestelle bei uns», begründet Biologielehrerin Angela Herbst ihr Engagement. Sie gehört zu den freiwilligen Helferinnen und Helfern der Interessensgemeinschaft. Was denn aber nun diese wichtige Aufgabe ist, erklärt Renata Fulcri: «Mit dem Bau dieser Kantonsstrasse ist es für die Amphibien schwierig geworden, vom Rheinufer bis zum Weiher zu kommen. Sie brauchen aber ein ruhiges Gewässer, in dem sie ablaichen können.» Ironischerweise wird das Gespräch von vorbeirasenden Fahrzeugen gestört.

Die Reise ist ein einziges Hindernis

Damit die Amphibien ungestört und sicher von A nach B gelangen können, sind sie auf die Hilfe von uns Menschen angewiesen. Die Landschaft hat sich verändert. Wo früher wilde Wiesen mit steinigen und feuchten Verstecken waren, sind heute flache, gemähte Wiesen. Für jeden Feind sind die Frösche so einfach zu entdecken. Sie können keine Pausen auf ihrem Weg einlegen. Sich nicht unter Kleinstrukturen wie Asthaufen verstecken. So sieht es auch hier beim Nussloch aus. Steht man beim Weiher, kann man den ganzen Weg sehen, den die kleinen Amphibien zurücklegen müssen. Die Reise ist ein einziges Hindernis.

«Dort hinten, wo man die Rheinmauern sieht, kommen sie meist her. Dann müssen sie den ganzen Weg über dieses Feld schaffen. Wenn sie dies geschafft haben, kommt noch die Strasse», veranschaulicht Renata Fulcri die Gefahr. Und genau bei dieser letzten Etappe schreiten die Helfer und Helferinnen ein. Entlang der einen Strassenseite wurden hier Schächte eingebaut, in die die Frösche hineinfallen. In den frühen Morgenstunden geht Angela Herbst dann los, um die Tiere einzusammeln und auf die andere Strassenseite zum Weiher zu bringen. Eine hinter der anderen her stapfend überprüfen wir nun zwei der Schächte. Ausser ein paar wenigen unerwünschten Gästen ist nichts zu sehen. Es ist noch zu kalt und zu trocken. «In den regnerischen Nächten mit erhöhten Temperaturen sind wir ebenfalls unterwegs. Dann sammeln wir alle Tiere ein, die wir finden, um sie vor dem Strassenverkehr zu schützen. Denn im Dunkeln ist es nahezu unmöglich, als Fahrer einen Frosch zu sehen, wenn man auf einer 80er-Strecke fährt», erzählt Renata Fulcri.

Sammelschächte: Der sichere Zwischenstopp für die Amphibien.
Sammelschächte: Der sichere Zwischenstopp für die Amphibien.
Bild Lorena Tino

Heute sind nicht mehr so viele Amphibien unterwegs

Es ist ein Appell, in den regnerischen Nächten das Tempo zu reduzieren. Dieses Problem gibt es aber nicht nur hier. Alleine im Kanton Graubünden wurden rund 70 solcher Stellen definiert, an denen die Bigra unterstützen muss. Die Stelle wird vom Amt für Natur und Umwelt des Kantons Graubünden unterstützt.

«Früher war hier alles voll mit Fröschen während der Wanderzeit. Heute sind es bei Weitem nicht mehr so viele. Wenn der Bestand einer Art zurückgeht, bedeutet das ein Problem im Ökosystem und das wiederum bedeutet, dass viele weitere Arten auch gefährdet sind», stellt Angela Herbst vor Tatsachen. Es sei von grosser Bedeutung, Lebensräume zu erhalten und zu schaffen. Sie animiert zum Mut für wilde Gärten, ungemähte Wiesen und Rücksicht im Umgang mit der Natur.

Dies ist dann wohl das Stichwort, um über die Verkehrstafeln zu sprechen, die am Zaun neben den beiden Helferinnen lehnen. Es sind Achtung-Tafeln. Die eine bildet einen Frosch ab, die andere einen Feuersalamander. Die Schilder werden an die Tempolimit-Tafeln angeschraubt, um Autofahrerende auf die kleinen Fussgänger aufmerksam zu machen. Im ganzen Kanton werden verschiedenste Massnahmen von den Freiwilligen ergriffen, um den Schutz zu gewähren. So werden Zäune errichtet, Zählungen durchgeführt und Keintiertunnels gebaut. Hier aber, beim Nussloch, greifen sich die beiden Frauen eine der Tafeln und machen sich auf den Weg zur Tempolimit-Tafel auf der anderen Strassenseite. Mit vereinten Kräften wird das Schild angeschraubt. Somit sind die ersten Vorbereitungen getroffen. Das ist gut, denn bald ist es so weit.

Hallo Frosch!
Trifft man einen Grasfrosch oder eine andere Amphibienart auf der Strasse an, sollte man Folgendes beachten: Traut man sich nicht, das Tier anzufassen, sollte man sich bei der Bigra melden. Möchte man das Tier von der Strasse wegbringen, sollte man es nicht mit trockenen Händen anfassen. Amphibien haben sehr empfindliche Haut, die bei Berührung verletzt werden könnte. Einige Arten (Gelbbauchunke) sondern ein leicht giftiges Sekret ab, weshalb man sie besser nicht mit blossen Händen anfassen sollte. 

Freiwillige gesucht!
Die Bigra ist froh um alle, die sich engagieren wollen. Bei Interesse darf man sich direkt bei der Interessengemeinschaft unter www.bigra.ch melden.

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