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Jägerin auf Samtpfoten: die neue Sonderausstellung im Naturmuseum

Die Katze ist das beliebteste und wildeste Haustier der Schweiz.

Bündner Woche
15.09.23 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Sanft und wild: Wenn Kater Kiki nicht auf der Jagd ist, lässt er es sich zu Hause gut gehen.
Sanft und wild: Wenn Kater Kiki nicht auf der Jagd ist, lässt er es sich zu Hause gut gehen.
Laura Kessler

von Susanne Turra

Sie ist anschmiegsam. Distanziert. Eigenwillig. Flink. Eine Jägerin. Ein Haustier. Ursprünglich aus Afrika. Und eine wahre Überlebenskünstlerin. Man sagt ihr nach, sie habe sieben Leben. Die Katze.

«Die Katze hat natürlich auch nur ein Leben», betont Ueli Rehsteiner und lacht. Aber die Vielfalt der Sprüche, Mythen und Weisheiten rund um dieses Tier ist enorm gross. Mehr dazu später. Es ist Dienstagmorgen im Bündner Naturmuseum in Chur. Der Museumsdirektor führt durch die Sonderausstellung «Die Katze. Unser wildes Haustier». Wild und beliebt. Mit einer langen Geschichte. Die ersten Katzen gibt es schon vor 40 Millionen Jahren. Katzen werden zum Erfolgsmodell in der Evolution. Heute gibt es rund 38 verschiedene Arten. «Dass man verschiedene Rassen züchtet, ist ein relativ junges Phänomen», so Ueli Rehsteiner. «Das ist erst seit dem 19. Jahrhundert so. Seither ist die Variabilität sehr gross.» Die kleinste Katze ist die Rostkatze. Sie ist in Indien und Sri Lanka verbreitet. Und sie wiegt nur gerade 1,5 Kilogramm. Die grösste Katze war die südamerikanische Säbelzahnkatze. Sie brachte bis zu 500 Kilogramm auf die Waage. Vor 10'000 Jahren ist sie ausgestorben.

Mäuse locken Katzen an

Heute leben in der Schweiz rund 1,7 Millionen Katzen. Hauskatzen. Wildkatzen. Und an dieser Stelle soll gleich ein weitverbreiteter Irrglaube aus dem Weg geräumt werden: Unsere Hauskatze stammt nicht von der Wildkatze ab. Sie stammt von der Falbkatze ab, die in Nordafrika und dem Nahen Osten verbreitet ist. Die Europäische Wildkatze ist zwar mit der Hauskatze verwandt. Und die beiden können sich miteinander fortpflanzen. Mehr aber auch nicht. Und in Graubünden kommt die Wildkatze auch gar nicht vor. In der Schweiz lebt sie hauptsächlich im Jura.

Zurück zur Hauskatze. Ihre Domestikation, also die Umwandlung vom Wildtier in das Haustier, hat mit der Sesshaftigkeit der Menschen zu tun. Als die Menschen vor rund 11 000 Jahren sesshaft werden, beginnen sie mit Viehzucht und Ackerbau. Sie legen viele Vorräte an. Getreidevorräte locken Mäuse an. Mäuse locken Katzen an. Und so breitet sich die Hauskatze nach und nach aus. Immer mit dem Menschen zusammen. Vor rund 2000 Jahren auch bei uns. Die Katze wurde also nicht geholt. Sie kam von sich aus. Anders beim Hund. Dort wurde immer ein Ziel verfolgt. Der Hund musste eine Rolle übernehmen. Wie der Wolf ist er ein Rudeltier. Er braucht einen Boss. Die Katze braucht das nicht. Sie ist der Boss.

Jagen mit vollem Bauch

Und so führt die Katze auch ein äusserst autonomes Leben. Ein freies Leben. «Ein Leben, das ein Stück weit von uns abgekoppelt ist», so der Museumsdirektor. «Viele Leute wissen eigentlich gar nicht, was ihre Katze Tag und Nacht alles macht. Wo sie überall daheim ist. Was sie alles erlebt und sieht.» Oftmals legt die Katze in einer Nacht mehrere Kilometer zurück. Sie bewegt sich in einem grossen Radius. Besitzt die Fähigkeit, in der Nacht zu sehen. Und zu jagen. Die Katze ist eine Überraschungsjägerin. Hocken, verharren, warten. Versuchen, sich heranzupirschen. Den Weg zur Beute hält sie möglichst kurz. Und die Katze ist ein Raubtier. Wenn sich also etwas bewegt, eine potenzielle Beute, dann ist sie nicht zu bremsen. Für die Hauskatze ist das Jagen aber eigentlich gar nicht existenziell. Sie bekommt ja zu Hause etwas zu fressen. Trotzdem. Sie jagt auch mit vollem Bauch. Und warum? «Das ist der Reflex des Raubtieres», erklärt Ueli Rehsteiner. «Ein Raubtier geht immer der Beute nach.» Und wenn diese nicht gleich verschlungen wird, dann wird mit ihr gespielt. So lange, bis der Appetit wieder da ist. So wird dieser Reflex immer hochgehalten. Ganz im Sinne von: «Vergib dir keine Nahrung, die vor dir ist. Aus der Evolution gesehen, kannst du dir das gar nicht leisten.»

Kuscheltier: Kater Kiki geniesst den Tag in vollen Zügen. Bilder Laura Kessler
Kuscheltier: Kater Kiki geniesst den Tag in vollen Zügen. Bilder Laura Kessler

Glück und Unglück

So oder so. Die Katze weckt Emotionen. Sie hat einen runden Kopf, spitzige Öhrchen und grosse Augen. «Das finden wir herzig», sagt Ueli Rehsteiner und schmunzelt. Dennoch. Das Tier ist nicht einfach zu begreifen. Seine Eigenständigkeit lässt dem Menschen viel Spielraum für die Deutung seines Wesens. Und seiner Wirkung. Die Katze hat einen ambivalenten Ruf. Sie bringt Glück und Unglück. Sie fällt immer auf die Beine. Was sie ihrer grossen Beweglichkeit verdankt. Und sie hat sieben Leben. Weil sie sich oftmals aus gefährlichen Situationen befreien kann und viele Verletzungen überlebt. Mit ihren Fähigkeiten hat sie auch in unserer Sprache Spuren hinterlassen: «Die Katze aus dem Sack lassen.» «Die zwei sind wie Katz und Maus.» «Nur einen Katzensprung entfernt.» «Da beisst sich die Katze in den eigenen Schwanz.» «Die Katze lässt das Mausen nicht.» «Mit jemandem Katz und Maus spielen.» «Einen Kater haben.» «In der Nacht sind alle Katzen grau.» «Draussen hagelt es Katzen.» Was für ein Katzenjammer.

Nicht für die Katz

Wie auch immer. «Wahrscheinlich haben noch nie so viele Katzen in der Schweiz gelebt, die so wenig Mäuse gefressen haben», mutmasst der Museumsdirektor schliesslich. «Die Gesellschaft wird immer städtischer. Urbaner.» Gewisse Katzen kommen gar nicht mehr raus aus dem Haus. Sie leben heute zum Teil ihr Leben lang als Stubentiger in einer Wohnung. Geht das? Ja. Das geht. Dem schweizerisch-amerikanischen Biologen und Katzenforscher Dennis Turner zufolge ist es aber überaus wichtig, dass der Mensch die Katze versteht. Ihre Bedürfnisse kennt. Nur so kann die Katze drinnen auch artgerecht gehalten werden. Beispielsweise braucht jede Katze zwingend ihr eigenes Katzenklo. Gewusst? Die Samtpfote ein bisschen näher kennenzulernen, ist vielleicht gar nicht so verkehrt. Und bestimmt nicht für die Katz.

Die Sonderausstellung «Die Katze. Unser wildes Haustier» ist bis am 21. Januar 2024 im Bündner Naturmuseum zu sehen. Informationen unter www.naturmuseum.gr.ch.

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