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Böötler in Ziegelbrücke: Nach tödlichem Unfall wird über die Ursachen gerätselt

Der Tod eines Böötlers am Linthkanal sorgt für Betroffenheit. Laut Polizei trug er keine Schwimmweste – wie viele andere. Müsste die gefährliche Stromschnelle bei Ziegelbrücke besser ausgeschildert werden?

Christine
Schibschid
13.06.23 - 04:30 Uhr
Menschen & Schicksale
Gefährlich: Die Insassen dieses Gefährts durchfahren die Stromschnelle in der Linth bei Ziegelbrücke ohne Schwimmwesten und ohne Paddel.
Gefährlich: Die Insassen dieses Gefährts durchfahren die Stromschnelle in der Linth bei Ziegelbrücke ohne Schwimmwesten und ohne Paddel.
Bild Markus Timo Rüegg

An der Luft herrschen am frühen Samstagabend noch sommerliche Temperaturen. Das Wasser im Linthkanal ist jedoch kalt. Es misst nur 12,6 Grad. Um 17.25 Uhr geht ein Notruf ein: Ein Mann ist bei der Stromschnelle in Ziegelbrücke ins Wasser gefallen und treibt im Kanal. Per Helikopter wird er zwar bald gesichtet, die Bergung gestaltet sich aber schwierig. Über 50 Einsatzkräfte sind involviert. Um 18.15 Uhr zieht ein Retter den leblosen Körper bei Schänis aus dem Wasser auf ein Boot. Für den 20-Jährigen aus der Region kommt jede Hilfe zu spät.

Was genau vorgefallen ist, kann Polizeisprecher Hanspeter Krüsi am gestrigen Montag noch nicht sagen. Nur so viel: Der Böötler trug keine Schwimmweste. Er war mit einem Gummiboot unterwegs, in Begleitung. Mit wie vielen Leuten genau, verrät Krüsi nicht. Ob Alkohol im Spiel war, wisse er noch nicht, sagt der Polizeisprecher. Auch die Frage, ob der Mann sich beim Sturz aus dem Boot möglicherweise den Kopf angeschlagen habe, kann er nicht beantworten. «Wir müssen die Obduktion abwarten. Es kann einige Tage dauern, bis das Ergebnis vorliegt.»

Weste als «Anker»

Über all diese Fragen habe er sich am Samstagabend auch den Kopf zerbrochen, sagt Marian Schulz vom Schlauchbootverleih Linth-Boot. Er kennt sich aus mit dem Bootfahren auf der Linth wie wohl kein Zweiter. Am Tag nach dem Unglück ist er mit einem Fernsehteam auf einem Schlauchboot durch die Stromschnelle gefahren. «Auch nach diesem Schockerlebnis waren fast alle Menschen auf den anderen Booten ohne Schwimmwesten unterwegs», sagt Schulz verständnislos. «Wer bei warmen Aussentemperaturen ins kalte Wasser fällt, ist vielleicht nicht Herr seiner Sinne. Auch wenn sich jemand den Kopf anschlägt – da ist eine Weste der Anker.» Laut Schulz haben Böötler und Böötlerinnen, die in Weesen starten, bei der Stromschnelle bereits rund 1,5 Stunden ruhige Fahrt hinter sich. «Einige sind überrascht, wenn sie dann auf die Stromschnelle zufahren.»

«Wer sich informiert und die Regeln befolgt, fährt sicher.»

Marian Schulz, Schlauchbootverleih Linth-Boot

Im Mai 2020 etwa wurde etwas unterhalb ein herrenloses Gummiboot entdeckt. Die Polizei ging vom Schlimmsten aus. Es stellte sich aber bald heraus, dass die Insassinnen wohlauf waren. Die drei jungen Frauen hatten vor der Stromschnelle Angst bekommen und waren ins Wasser gesprungen.

Regeln befolgen

Auf Linth-Boot.ch und auf der Seite des Linthwerks können Böötler und Böötlerinnen sich vor der Fahrt auf dem Linthkanal bis ins kleinste Detail über die Strecke und die Vorschriften schlau machen. Ausserdem wird mit Flugblättern informiert. An den Einstiegstellen stehen darüber hinaus Schilder mit den wichtigsten Fakten. «Wer sich informiert und die Regeln befolgt, fährt sicher», sagt Schulz. Bei der Stromschnelle gelte es, Weste zu tragen, tief im Boot zu sitzen und zwischen den beiden viereckigen Markierungen (siehe Bild) durch die beste Fahrrinne zu fahren. «Bei uns haben in den letzten sieben Jahren fünf Boote ihre Fahrgäste entladen», erzählt Schulz. Das bei insgesamt 2100 Fahrten. Alle Insassen hätten Schwimmwesten getragen, es sei ihnen nichts passiert.

Nach einer Schätzung des Linthwerks lassen sich jährlich rund 30 000 Menschen die Linth hinuntertreiben. Bei dem, was Schulz dabei beobachtet, erstaunt es fast, dass noch nicht mehr passiert ist. Es gibt Leute, die auf Badeinseln oder aufblasbaren Einhörnern durch die Stromschnelle fahren. Ohne Paddel und ohne Schwimmweste. Teils binden sie ihre Gefährte aneinander. «Das ist keine gute Idee. Man hat sein Boot so nicht im Griff und eine Paketschnur kann jemanden strangulieren», warnt Schulz.

«Es gibt diverse Tafeln in Wassernähe, die Menschen müssen sich aber an die Vorgaben halten.»

Hanspeter Sigg, Leiter Schifffahrtsamt Kanton St. Gallen

Wie er sagt, hat die Linthverwaltung mit ihrer Infokampagne «tolle Arbeit» geleistet. «Die beste Info nützt aber nichts, wenn sie nicht befolgt wird.» Laut Schulz ist die Stromschnelle aus etwa 500 Metern Entfernung zu sehen. Wer wolle, könne vorher aussteigen und sie an Land umgehen. Eine Verbesserungsmöglichkeit sieht Schulz aber: «Für unsichere Leute könnte man im Kanal vielleicht noch ein Schild anbringen, das auf die Auswasserungsmöglichkeit hinweist.» Die jetzigen quadratischen Tafeln würden vermutlich den Wenigsten etwas sagen.

Schilder werden Thema

Das Linthwerk treibt derzeit ein Projekt für einen besseren Zugang zum Wasser unterhalb der Stromschnelle voran. Das Bewilligungsverfahren läuft, wie Linthingenieur Markus Jud sagt. Gegen eine zusätzliche Beschilderung des Ausstiegs oberhalb der Stromschnelle würde sich das Linthwerk nicht wehren, so Jud. Die nautische Beschilderung liege aber in der Hoheit der Kantone. Es gebe eine eigene Kommission, die für die Schifffahrt auf Zürichsee, Walensee und Linthkanal zuständig sei. Die Linthverwaltung sei mit beratender Stimme dabei. «Die Kommission wird den Vorfall sicher behandeln», sagt Jud und verweist ans kantonale Schifffahrtsamt.

Die Beschilderung sei sicher ein Thema, das die Kommission besprechen werde, sagt der Leiter des Schifffahrtsamts, Hanspeter Sigg. Die nächste Sitzung finde nach den Sommerferien statt. Es sei aber fraglich, ob es wegen der Beschilderung zu dem Unfall gekommen sei. «Es gibt diverse Tafeln in Wassernähe, die Menschen müssen sich aber an die Vorgaben halten.» Prinzipiell müssen Böötler ihren Namen und ihre Adresse auf ihre Gefährte schreiben und eine Schwimmweste dabei haben. Das zu kontrollieren sei aber schwierig, sagt Sigg. «Es ist wichtig, dass die Leute eine gewisse Eigenverantwortung mitbringen.»

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So unglücklich solche Unfälle sind, so ist die Tendenz alles zu regulieren selbst gefährlich.
Vorschriften und Regeln, die Idee möglichst einen Dritten für verantwortlich zu halten unterläuft das eigene sorgsame Handeln, die Gewohnheit zur Selbstsorge.
Es ist höchste Zeit, dass wir als Gesellschaft wieder in Eigenverantwortung entlassen werden.
Das verstecken, vermeiden von Risiken, die Sicherheitsmassnahmen werden langsam selbst zum Risiko.

Wir Niederurner und Ziegelbrückler wissen das man vor dem Tscholl oder nach dem Tscholl ins Wasser steigen soll. Der Tscholl ist auf höhe der Eisenbahnbrücke und Barriere nach Schänis. Viele von uns haben sogar schwimmen gelehrnt in der Linth.Das vor etwa 70 Jahren

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