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Eine Rallye ohne Autoposer

Laute Motoren und gefährliche Modifikationen – Autotuner haben mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. An der Rallye des Tuning Clubs Glarnerland zeigen die Teilnehmenden, dass es auch anders geht.

Südostschweiz
05.05.23 - 04:30 Uhr
Mobilität

von Melissa Stüssi

«Roman kommt etwas später – er wird gerade kontrolliert». Morris Kistler schmunzelt und sieht auf sein Handy. Um ihn herum sammeln sich am letzten Samstag bereits einige Autos. Ein VW Golf, ein Audi A3, eine Corvette, ein Ford Focus RS. Es gibt aber auch ältere Modelle. Cynthia Mouron ist heute mit ihrem 37 Jahre alten Toyota Carina 2 dabei. Die erste Rallye des Tuning Clubs Glarnerland startet in Schwanden, nahe der Garage Müller. «Anfangs war es nur eine Instagramseite, auf der man sich ausgetauscht und manchmal zu Ausfahrten verabredet hat. Seit 2022 sind wir nun ein offizieller Klub mit Statuten, Verhaltensregeln und allem, was dazugehört», erklärt der Morris Kistler. Der Klubpräsident ergänzt: «32 Mitglieder zählen wir mittlerweile, nicht nur aus dem Glarnerland. Wir haben nur zwei Aufnahmekriterien: Man muss Interesse an Autos haben und man muss sich benehmen können. Ob man ein Auto hat und ob es getunt ist, spielt keine Rolle.»

Wie die Fahrerin, so das Auto

An der heutigen Rallye machen elf Autos mit je einem oder zwei Teilnehmenden mit. Kistler erklärt die Regeln: «Ihr müsst drei Posten finden, die irgendwo im Kanton und Umgebung verteilt sind und dort so viele Punkte wie möglich holen. Auf dem Weg gibt es auch immer wieder kleinere Aufgaben zu erledigen.» Um Schnelligkeit geht es nicht, alle Teams haben dreieinhalb Stunden Zeit.

Ich darf bei den «Bunnys» mitfahren – Cynthia Mouron und Melanie Iten in ihren Hasenkostümen. Die beiden sind nach eigener Aussage ein bisschen verrückt, aber das mache auch mehr Spass. Die Autos starten der Reihe nach und Morris Kistler zeigt ihnen durchs Fenster noch schnell den ersten Posten, bevor es losgeht. Von Motorengeheul und Abgaswolken keine Spur. Cynthias Toyota bringt uns zuerst nach Niederurnen. Im Auto riecht es genauso, wie es in einem Auto mit Jahrgang 1986 riechen sollte: nach Stoffpolstern und Nostalgie. Cynthia Mouron ist 22-jährig und Glarnerin, Melanie Iten, 24-jährig, kommt aus dem Kanton Zug. Kennengelernt haben sie sich erst beim vorletzten Treffen des Tuningclubs. «Wir identifizieren uns mit unseren Autos, ganz klar», bestätigen die beiden. Itens Seat Ibiza sei klein und «fätzig», wie sie selbst. Mouron dagegen wollte schon immer einen Oldtimer fahren – ihr Auto ist aber nicht getunt.

Laut Präsident Morris Kistler ist der Tuning Club Glarnerland auch mehr ein Autoklub, «aber Tuningklub klingt einfach besser. Und viele unserer Autos haben teilweise auch Modifikationen, was nichts anderes als Tuning ist. Nur nicht so, wie die meisten Leute sich das vorstellen.» Autoposer, die gegen die Gesetze verstossen und unnötigen Lärm machen, seien bei ihnen nicht willkommen. Der Tuning Club Glarnerland engagiert sich dafür, von diesem Image wegzukommen.

Kaputter Lack

In Niederurnen angekommen, müssen Cynthia Mouron und Melanie Iten bei der Firma «SOS Leder» fünf verschiedene Ledersorten richtig zuordnen können. Währenddessen erklärt Inhaberin Maya Feldmann ihnen, wie sie das Sitzleder ihres Autos am besten pflegen und was man bei einem Wasserschaden auf keinen Fall tun sollte: den Sitz in die Sonne stellen.

Die zweite Aufgabe besteht darin, auf einer Motorhaube so schnell wie möglich einen Lackschaden durch zu starkes Polieren zu verursachen. Mouron braucht dafür zwei Minuten – die Bestzeit liegt bei gerade mal zehn Sekunden. Dafür holt sie beim Pneu-Weitwurf beim Pneuhaus 3B stolze neun Punkte, weil der Pneu aufrecht stehen bleibt. Auf dem Weg nach Amden kommt der Toyota mit seinen 70 PS kurz ins Schwitzen. Dann bemerkt Melanie Iten: «Sorry Cynthia, wir sind zu weit gefahren. Kannst du umkehren? Es ist irgendwo im Dorf. Das Gute ist ja, dass du nachher nicht mehr wenden musst.» Nach einem kurzen Wendemanöver und viel Gelächter finden die beiden ihr aktuelles Ziel: die Tourist Information. Ein Foto zusammen mit dem Aufgabenblatt genügt, dann geht es weiter.

Begegnungen mit der Polizei

Unterwegs müssen drei Autos gefunden werden, die «verloren gegangen» sind. Unter anderem den Ford Focus des Präsidenten und sein Smart Roadster. Beide seien rein optische Tuner, an der Motorleistung wurde also nichts verändert. Aber auch das erregt manchmal die Aufmerksamkeit der Polizei. Einzelne Mitglieder berichten von längeren Auseinandersetzungen, da die Polizei bei Tunern auch immer die vielen Bewilligungen sehen will.

Es komme auch auf die Polizeikräfte im Einzelnen an. Manche seien sehr interessiert und freundlich, aber anderen merke man schon an, dass sie Vorurteile gegenüber Tunern haben. «Meistens ist es aber so, dass sie anständig mit dir umgehen, wenn du anständig mit ihnen umgehst. Deshalb informieren wir sie auch immer, wenn wir einen Anlass haben», so Kistler.

Auf ein Neues

Zurück zu den beiden Frauen. Der letzte Posten befindet sich wieder beim Hauptsponsor, der Garage Müller in Schwanden. Dort müssen Marke und Modell eines Autos unter einer schwarzen Haube erraten werden. Mouron und Iten beschliessen, dass Abtasten auch erlaubt sein sollte und finden so heraus, dass es sich um einen Ferrari handelt. Beim Modell googeln sie, was ihnen aber auch nicht so recht weiterhilft. Um fünf Uhr ist Schluss mit Raten, dann müssen sich alle für das Rangverlesen besammeln. Eigentlich befinden sich drei Teams auf dem ersten Rang – Morris Kistler lässt dann die Zeit beim Polieren entscheiden. Beat aus dem Kanton Schwyz holt sich den ersten Rang und darf sich als Erster etwas vom Gabentisch aussuchen. Von coolen Abdeckungen für Radschrauben über Reinigungsmittel und Schlüsselanhänger ist alles dabei, was ein Autofan sich wünschen könnte.

Cynthia Mouron und Melanie Iten landen auf dem fünften Platz und sind zufrieden mit ihrer Leistung. Für Morris Kistler war der Anlass ein voller Erfolg, wie er sagt: «Als Kind war ich mit meinem Vater immer bei der Glarner Sternfahrt dabei. An diesem historischen Anlass orientiert sich die Rallye und ich finde es schön, dass wir ihn so wieder aufleben lassen können.» Für die Rallye nächstes Jahr hat Kistler schon einige Ideen. Er hofft, dass sich bis dahin auch noch ein paar Teilnehmerinnen und Teilnehmer mehr begeistern lassen können.

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