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Darum hinkt die Rhätische Bahn bei der Behindertengleichstellung hinterher

Ab dem 1. Januar müssen nach Vorgaben des Bundes alle Bahnhöfe in der Schweiz autonom genutzt werden können. Die Rhätische Bahn erreicht die Ziele zur Behindertengleichstellung nicht.

Südostschweiz
16.11.23 - 12:04 Uhr
Mobilität
Jeden Bahnhof der Rhätischen Bahn autonom nutzen: Der Mann steigt an einem umgebauten Bahnhof ohne Hilfe in den Zug ein. 
Jeden Bahnhof der Rhätischen Bahn autonom nutzen: Der Mann steigt an einem umgebauten Bahnhof ohne Hilfe in den Zug ein. 
Bild Rhätische Bahn

Gemäss dem Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) sind alle öffentlichen Verkehrsmittel sowie Kantone und Gemeinden dazu verpflichtet, ihre Bahnhöfe und Haltestellen behindertengerecht umzubauen. Sie sind ebenfalls vom Bund verpflichtet, ab 1. Januar Übergangs- und Ersatzmassnahmen für nicht selbstständig zugängliche Bahnhöfe anzubieten, wie die Rhätische Bahn (RhB) in einer Mitteilung schreibt. Die RhB, gemeinsam mit den Behindertenorganisationen Procap Grischun und Pro Infirmis Graubünden, demonstrierte am Donnerstag ihre Pläne, um diese Defizite an ihrer Infrastruktur zu überbrücken.

Arbeiten noch nicht abgeschlossen

82 Prozent der Reisenden profitieren heute von 48 vollautonomen Bahnhöfen der RhB, wie es heisst. 18 Bahnhöfe werden jedoch bis zum 1. Januar 2024 noch nicht autonom umgebaut werden können. Für weitere 38 Stationen der RhB ist ein Umbau aus Gründen der Verhältnismässigkeit nicht zwingend erforderlich und wird deshalb auch nicht vom Bund finanziert. Gemäss Mitteilung der RhB werden dort Übergangsmassnahmen, wie personelle Beihilfe, eine betriebliche Lösung oder ein Shuttledienst, ergriffen. 

Die RhB erreicht die Ziele zur Behindertengleichstellung also nicht. Sie begründet den Rückstand so, dass sie eine Gebirgsbahn sei und viele Bahnhöfe in Kurven oder steilem Gefälle umbauen müsse. Hinzu kämen noch andere Substanzerhaltungsarbeiten. Zu viele Baustellen würden die Bahnverbindungen und die Sicherheit der Reisenden, die für die RhB hohe Priorität hat, nicht mehr sicherstellen, wie sie in der Mitteilung weiter schreibt.

Auf einem Blick: der Stand der Bahnhöfe und Haltestellen der RhB am 1. Januar 2023.
Auf einem Blick: der Stand der Bahnhöfe und Haltestellen der RhB am 1. Januar 2023.
Grafik Rhätische Bahn

Laut der RhB hat sie bereits viel getan, um ihre Bahnhöfe, Haltestellen und Züge sowie die Kundeninformation für Menschen mit eingeschränkter Mobilität zugänglich zu machen. Die Bahnhöfe seien umgebaut und mit höheren Perrons, Rampen und Liften ausgestattet worden. Ausserdem seien akustische Abfragemöglichkeiten in die Bahnhöfe eingebaut worden. In die Erneuerung und Modernisierung der Bahnhöfe investierte die RhB bisher rund 750 Millionen Franken. In modernes und zeitgemässes Rollmaterial noch einmal die gleiche Summe.

Ab dem 1. Januar 2024 können sich mobilitätseingeschränkte Kundinnen und Kunden über den Online-Fahrplan umfassender über die Zugänglichkeit der Bahnhöfe und die angebotenen Ersatz- oder Überbrückungslösungen informieren. Für alle Bahnhöfe und Haltestellen soll ersichtlich sein, ob sie vollständig selbstständig nutzbar sind oder welche Hilfestellungen beziehungsweise Ersatz- oder Überbrückungsmassnahmen angeboten werden. Das bestehende Contact Center Handicap der SBB wird ausgebaut und steht den Reisenden aller Transportunternehmen als Anlaufstelle zur Verfügung, wie es abschliessend heisst. 

Ein Überblick zu den Ersatz- oder Überbrückungsangeboten: So können auch beinträchtige Personen den öffentlichen Verkehr nutzen.
Ein Überblick zu den Ersatz- oder Überbrückungsangeboten: So können auch beinträchtige Personen den öffentlichen Verkehr nutzen.
Grafik Rhätische Bahn

Schweizweit sind erst 60 Prozent der Bahnhöfe barrierefrei nutzbar, wie die Nachrichtenagentur Keystone-SDA schreibt. Für den Dachverband der Behindertenorganisationen Inclusion Handicap sei dies ein «Affront gegenüber Menschen mit Behinderungen», hiess es letzte Woche. Dass nach 20 Jahren über 500 Bahnhöfe und zwei Drittel der Tram- und Bushaltestellen immer noch nicht behindertengerecht umgebaut wurden, spürten die Betroffenen jeden Tag und seien entsprechend frustriert. (red/sda)

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