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«Wir bleiben dran, bis sich etwas ändert»

Die Bilanz ein Jahr nach dem Frauenstreik: Der geforderte Aktionsplan soll 2020 vorliegen. Unklar bleibt, wer ihn verfasst.

13.06.20 - 04:30 Uhr
Politik
Mit einem weiteren Schreiben machen die Frauenstreik-Petitionärinnen Regierungsrätin Marianne Lienhard (links) auf ihre Anliegen aufmerksam.
Mit einem weiteren Schreiben machen die Frauenstreik-Petitionärinnen Regierungsrätin Marianne Lienhard (links) auf ihre Anliegen aufmerksam.
SASI SUBRAMANIAM

In vielen Berufen verdienen Frauen immer noch weniger als Männer für die gleiche Arbeit. Teilzeit-, Betreuungs- und Freiwilligenarbeit leisten vorwiegend Frauen. Sie erhalten dafür wenig Wertschätzung und sind – vielleicht auch deshalb – seltener in den Führungsebenen oder der Politik vertreten.

Die Gleichstellung der Geschlechter ist zwar seit 1981 in der Bundesverfassung verankert, in der Realität aber noch nicht vollumfänglich umgesetzt. Deshalb versammelten sich vor einem Jahr Hunderte Demonstrantinnen und Demonstranten zum Frauenstreik im Glarner Volksgarten. Gemeinsam mit Hunderttausenden anderen in der ganzen Schweiz machten sie auf die immer noch bestehende Ungleichheit zwischen den Geschlechtern aufmerksam.

Wer soll es machen?

Höhepunkt des Streiks in Glarus war die Übergabe einer von 800 Menschen unterschriebenen Petition an Regierungsrätin Marianne Lienhard (SVP). Seitdem gab es zwar einige Gespräche, zufrieden sind die Petitionärinnen aber nicht. Denn, um den von ihnen geforderten Aktionsplan umzusetzen – der grundsätzlich von der Regierung auch als sinnvoll erachtet wurde –, müsste dieser erst einmal ausgearbeitet werden. Und hier liegt das Problem.

Denn die Glarner Regierung möchte, dass sich die bereits bestehende Gleichstellungskommission (GSK) damit beschäftigt. «Neue Strukturen zu schaffen, die sich mit den Aufgaben der GSK überschneiden, finden wir nicht zielführend», so Marianne Lienhard. «Wir sind aber bereit, zusätzliche finanzielle Mittel zu stellen, beispielsweise für externe Unterstützung der Kommission.» Man dürfe zudem nicht ausser Acht lassen, dass bereits mehrere Bereiche zu Gleichstellungs- und Familienfragen innerhalb der bestehenden Strukturen bearbeitet würden.

Thema exklusiv behandeln

Die Petitionärinnen dagegen wollen, dass eine neue, eigens für die Ausarbeitung des Aktionsplans zuständige Fachstelle geschaffen wird. «Die Gleichstellungskommission ist direkt dem Regierungsrat unterstellt, arbeitet ehrenamtlich und hat personell wie finanziell weniger Ressourcen», so Elisabeth Brugger, Mitorganisatorin des Frauenstreiks. «Mit einer Fachstelle würden unsere Anliegen zudem eine ganz andere Bedeutung erhalten und man könnte dort dauerhafter und exklusiver am Thema bleiben.»

Corona als Vorwand

Die Mitglieder der Gleichstellungskommission selbst äusserten sich kritisch zu den Plänen der Regierung: Sie repräsentiere die Bevölkerung nicht und sei «in ihren Ressourcen und ihrer Unabhängigkeit eingeschränkt», heisst es in einer Stellungnahme. Für die Ausarbeitung längerfristiger Strategien und Aktionspläne sei sie daher wenig geeignet. «Die Einberufung einer unabhängigen Fachgruppe oder die Umwandlung der Kommission in eine Fachstelle ist daher zu empfehlen», heisst es weiter.

Ein Weiterkommen in Sachen Gleichstellung hängt nun davon ab, ob sich Regierung und Petitionärinnen einigen können. Zwar ist der Prozess laut Elisabeth Brugger ins Rollen gekommen, coronabedingt blieben weitere Gespräche aber aus. «Unverständlich», findet Brugger. «Denn gerade Corona hat einmal mehr gezeigt, wie sehr die Gesellschaft auf den Einsatz der Frauen im Beruf und in der Betreuung angewiesen ist.» Und wie man Gespräche und Sitzungen online durchführen kann, wüssten mittlerweile auch alle.

Die Organisatorinnen erwarten aber, dass bald neuer Schwung in die Sache kommt. Denn sie selbst haben der Regierung vor zwei Tagen ein neues Schreiben überreicht. «Wir bleiben dran, bis sich etwas ändert», so Brugger dazu. Zudem seien sie gespannt auf die Regierungsantworten auf die Interpellation von Priska Müller Wahl. Die Landrätin fragte Ende März: «Welche Massnahmen folgen auf die Frauenstreik-Petition?»

Immerhin: Petitionärinnen und Regierung sind sich in einer Sache einig: «Wir möchten, dass der Aktionsplan noch in diesem Jahr ausgearbeitet wird», so Regierungsrätin Lienhard.

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