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Debatten werden künftig simultan übersetzt

Bis am Donnerstagabend hat das Bündner Parlament in Chur getagt. Am letzten Tag der Aprilsession fand die Fragestunde statt. Anschliessend ging es um ganz unterschiedliche Aufträge und Anfragen.

Philipp
Wyss
21.04.22 - 17:52 Uhr
Politik
Die Aprilsession des Bündner Grossen Rates geht am Donnerstagabend zu Ende.
Die Aprilsession des Bündner Grossen Rates geht am Donnerstagabend zu Ende.
Bild Livia Mauerhofer

Ticker

Am dritten und letzten Tag der Aprilsession hat der Grosse Rat:

  • Die Fragestunde mit 24 Fragen abgehalten.
  • Die Landsession 2023 nach Klosters vergeben.
  • Den Antrag auf Direktbeschluss der SVP betreffend Standesinitiative zur Einschränkung des Beschwerderechts für erheblich erklärt.
  • Simultanübersetzung der Grossratsdebatten beschlossen.
  • Eine Petition gegen das Projekt St.-Luzi-Brücke zu Kenntnis genommen und beschlossen, dass das Projekt weiterverfolgt wird.
  • Die Antwort auf die dringliche Anfrage Horrer betreffend Umsetzung der Sanktionen gegen Russland debattiert.
  • Die Aprilsession beendet.

Die nächste Session findet vom 13. bis 16. Juni statt.

Bundesrat Guy Parmelin (Mitte) diskutiert mit Erwin Bollinger, Leiter des Leistungsbereichs Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen, Staatssekretariat für Wirtschaft (links) und Bundesratssprecher Andre Simonazzi.
Bundesrat Guy Parmelin (Mitte) diskutiert mit Erwin Bollinger, Leiter des Leistungsbereichs Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen, Staatssekretariat für Wirtschaft (links) und Bundesratssprecher Andre Simonazzi.
Bild Keystone

Laute Kritik aus Chur in Richtung Bern

Weiter geht es mit der dringlichen Anfrage von Grossrat Lukas Horrer (SP, Chur) betreffend der Umsetzung der Schweizer Sanktionen gegen Russland. Die Antwort der Bündner Regierung auf die dringliche Anfrage fällt ernüchternd aus. Die vom Bundesrat am 28. Februar beschlossenen Sanktionen gegen Russland nach dem Angriff auf die Ukraine wurden der Steuerverwaltung Graubünden erst am 1. April mitgeteilt. Die Regierung schreibt in ihrer Antwort auf den Vorstoss: «Somit kann festgehalten werden, dass die Zusammenarbeit mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft teilweise unbefriedigend war.»

Horrer reichte den Vorstoss am Dienstag ein, am ersten Tag der Aprilsession. Das Parlament erklärte ihn am Mittwoch für dringlich. Die Regierung sollte Auskunft über die Zusammenarbeit mit dem Bund geben und aufzeigen, wie die Sanktionen vom Kanton Graubünden umgesetzt wurden.

Die Bündner Steuerverwaltung wartete denn auch nicht auf die Sanktionslisten des Staatssekretariats für Wirtschaft. Stattdessen glich sie die Sanktionslisten der Europäischen Union mit dem Steuerregister ab. Und als die Bündner von Bern wissen wollten, ob und wie sie in die Ausführung der Sanktionen involviert werde, kamen bis zum 1. April keine konkreten Antworten. Das Staatssekretariat bat die Bündner Steuerverwaltung bis dahin, Vermögenswerte von sanktionierten Personen nicht zu melden. Am 1. April meldete der Kanton Graubünden Vermögenswerte von sanktionierten Personen als erster Kanton.

Wie die Regierung in ihrer Antwort abschliessend schreibt, habe sich der Kanton für einen klaren Vollzug der Sanktionen eingesetzt. Und er werde dies auch in Zukunft tun.

Anders verlief die Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Justiz. Wie die Regierung in ihrer Antwort schreibt, habe das Bundesamt die kantonalen Grundbuchämter am 2. März aufgefordert, Grundstück von bestimmten Eigentümern mit einer Verfügungssperre zu belegen.

Regierungsrat Christian Rathgeb (FCP, Chur) sagt während der Debatte, dass sich die Zusammenarbeit zwischenzeitlich verbessert hat. «Insbesondere nach einem persönlichen Austausch mit Bundesrat Guy Parmelin», so Rathgeb. Und er versichert, dass die Bündner Regierung bei diesem Thema «dranbleiben wird».

Emil Müller verabschiedet sich

Für Grossrat Emil Müller (Mitte, Susch) geht mit der Aprilsession die Arbeit im Bündner Parlament zu Ende. Müller ist seit dem Jahr 2000 Gemeindepräsident von Zernez und seit 2014 Grossrat. Im November wählten ihn die Stimmberechtigten von Egnach im Kanton Thurgau im ersten Wahlgang zum Gemeindepräsidenten. Müller verlässt Zernez Ende Mai. Dann übernimmt Vizegemeindepräsident Riet Denoth das Amt bis Ende Jahr.

Projekt St. Luzi-Brücke soll weiter verfolgt werden

Am 8. Februar 2021 ist beim Ratssekretariat die Petition von Walter Schmid betreffend «Bauvorhaben Verbindung Julierstrasse-Schanfiggerstrasse (St. Luzi-Brücke)» eingegangen. Die an den Grossen Rat des Kantons Graubünden gerichtete Petition umfasst ein Anschreiben sowie eine ausführliche «Streitschrift», in welcher die Forderungen festgehalten sind. Der Petitionär stellt folgende Anträge:

Die Planung der Verbindung zwischen der Julier- und der Arosastrasse mit einer Brücke vom Araschgerrank zum Brandacker ist zu sistieren. Der Projektwettbewerb ist abzubrechen.

Vor jeglicher weiteren Planung sind die bisher vorgebrachten Argumente und Planungsvorgaben für die Brücke sowie die gestützt darauf erarbeiteten Entscheidungsgrundlagen einer nochmaligen Prüfung zu unterziehen und auf die heutigen Gegebenheiten anzupassen. Dabei sind die heutigen und zukünftigen Erkenntnisse und Erfordernisse für einen umweltgerechten motorisierten Verkehr mit einzubeziehen.

Der Ausbau der bestehenden Strasse ist unter Berücksichtigung der Resultate aus der vorgenannten Untersuchung und der in diesem Bericht enthaltenen Vorschläge näher zu prüfen.

Verschiedene Votanten äussern sich eingangs der Debatte kritisch zu Mehrverkehr und zu Engpässen, die durch den Bau einer Brücke andernorts zu Problemen führen könnte. Andere Parlamentarier äussern sich über die notwendige Erschliessung des Schanfiggs. Grossrat Urs Mari (FDP, Chur) spricht den vertretbaren Eingriff in das Churer Stadtbild sowie die Notwendigkeit der St. Luzi-Brücke an. 

Die Kommission unter Präsident Kenneth Danuser (Mitte, Cazis) sprach sich einstimmig dafür aus, vom Eingang der Petition Kenntnis zu nehmen, dieser aber nicht Folge zu leisten. Das Parlament folgt dieser Empfehlung mit 69:3 Stimmen bei 8 Enthaltung 

  • 1971 entstanden erste Projekte für eine Verbindung der Schanfiggerstrasse mit der Julierstrasse mittels einer Brücke.
  • 2005 überwies der Grosse Rat einen Auftrag betreffend Neuaufnahme des Projekts «Strassenverbindung zwischen der Julier- und Schanfiggerstrasse mit einer Hochbrücke über die Plessur nach Maladers» und beauftragte die Regierung mit der Ausarbeitung einer Machbarkeits- und Vergleichsstudie.
  • 2006 präsentierte das Tiefbaumt Studienresultate und hielt fest, dass die St. Luzibrücke die vorteilhaftere Lösung sei.
  • 2010 genehmigte die Regierung das Projekt der Querverbindung Schanfiggerstrasse.
  • 2015 wurde das Projekt Hochbrücke St. Luzi ins Strassenbauprogramm 2017 bis 2020 aufgenommen.
  • 2017 hob die Regierung das Auflageprojekt für die Querverbindung St. Luzibrücke aus dem Jahr 2008 auf und beauftragte das Tiefbauamt mit der Ausarbeitung eines neuen Auflageprojekts.
  • 2020 nahm der Grosse Rat Kenntnis vom Strassenbauprogramm 2021 bis 2024, in welchem das Projekt bei der Julierstrasse unter dem Projekttitel «Anschluss Schanfiggerstrasse (St. Luzibrücke)» figuriert.
  • 2021 fällte die Regierung den Vergabeentscheid des Projektwettbewerbs zur Gestaltung der St. Luzibrücke. Das Siegerprojekt fliesst nun in ein entsprechendes Vorprojekt ein, das Basis für ein Auflageprojekt sein soll.

Schlussspurt im Grossratssaal

Zum Abschluss der Aprilsession stehen auf dem Arbeitsplan des Bündner Grossen Rates noch ein Bericht mit Antrag der Kommission für Umwelt, Verkehr und Energie zur Petition «Bauvorhaben Verbindung Julierstrasse-Schanfiggerstrasse (St. Luzi-Brücke)», die dringliche Anfrage Horrer betreffend der Umsetzung der Sanktionen gegen Russland, ein Fraktionsauftrag der FDP betreffend Sicherheit der Stromversorgung im Kanton und zum Stand der Vorbereitungen auf einen eventuellen Blackout, ein Fraktionsauftrag der SVP betreffend der Energiestrategie 2050, sowie eine Anfrage Horrer betreffend dem Areal Sennhof in Chur und den Baurechtsverträgen des Kantons.

Die letzte Pause

Zum letzten Mal während der Aprilsession geniessen die Grossrätinnen und Grossräte eine Pause. Um 16.40 Uhr gehts weiter.

Impressionen aus dem Grossen Rat. Heute durfte ich zusammen mit Valerie Favre Accola und Sandra Adank Kandidatinnen und...

Posted by Walter Grass on Thursday, April 21, 2022

Die Aprilsession in Bildern

Bald zweieinhalb Tage tagte der Bündner Grosse Rat in Chur. Unsere Fotografin Livia Mauerhofer hat während dieser Zeit zahlreiche Bilder eingefangen. Hier geht es zur Bildergalerie der Aprilsession.

Künftig gibt es eine Simultanübersetzung im Rat

Als erstes geht es um den Bericht und den dazugehörigen Antrag der Vorberatungskommission zum Antrag auf Direktbeschluss betreffend Erarbeitung von Varianten zur Simultanübersetzung der Grossratsdebatten. Eingereicht wurde der Antrag durch von Grossrat Tobias Rettich (SP, Untervaz) in der Augustsession 2019. Dieses Thema wurde schon vor 32 Jahren debattiert, eröffnet Kommissionspräsident Gian Michael (Mitte, Donat) die Debatte. Geht es nach der Vorberatungskommission, werden die Debatten im Grossen Rat künftig simultan ins Italienische und ins Deutsche gedolmetscht. Die Übersetzung soll sowohl dem Rat selbst als auch der Bevölkerung – über den Livestream – zur Verfügung stehen. Knackpunkt ist die Dreisprachigkeit Graubündens. Dies im Gegensatz zu zweisprachigen Kantonen in der Westschweiz.

Die Kommission hat eine Minimalvariante (Übersetzung aller Voten ins Deutsche und ins Italienische) sowie eine Maximalvariante (zusätzlich Übersetzung aller Voten ins Romanische) geprüft. Abgeklärt wurden rechtliche, bauliche, medientechnische, personelle und finanzielle Aspekte. Dabei hat sich gezeigt, dass im Grossratsgebäude nur die Minimalvariante umsetzbar ist. Zudem gibt es zum jetzigen Zeitpunkt nicht genügend Fachpersonal für das Dolmetschen ins Romanische. Die Kommission geht jedoch davon aus, dass die Ratsmitglieder und interessierten Bürgerinnen und Bürger, die Romanisch als Muttersprache sprechen, neben Romanisch auch Deutsch (und/oder Italienisch) verstehen. Somit kann sich auch bei einem Verzicht auf die Übersetzung ins Romanische jedes Ratsmitglied in seiner Muttersprache ausdrücken und wird dabei von allen verstanden. Gemäss einem Rechtsgutachten entspricht die vorgeschlagene Lösung auch den rechtlichen Vorgaben. Die Kommission beantragt deshalb, die Simultanübersetzung in der Minimalvariante einzuführen.

Werden die Voten künftig simultan übersetzt, wird mehr Romanisch und Italienisch gesprochen. Diese Sprachen werden somit ratsintern und dank des Livestreams auch ausserhalb hörbar gemacht. Aus diesen Gründen unterstützen die Sprachorganisationen «Pro Grigioni Italiano» und «Lia Rumantscha» die Einführung der Simultanübersetzung auch in der reduzierten Form. 

Im Rat werden nun Voten geäussert, dass dieser Schritt längst fällig sei – in Romansich und in Italienisch. Auf Deutsch und in eine andere Richtung spricht Grossrat Rudolf Kunz (FDP, Chur). «Dürfen wir nicht die Erwartung haben an eine Grossrätin oder an einen Grossrat, dass jeder so sprechen kann, wie ihm der Schnabel gewachsen ist? Wir sprechen auch Hochdeutsch, und das ist nicht unsere Muttersprache. Für mich steht diese Simultanübersetzung quer in der Landschaft», sagt Kunz. Ein Bekenntnis zum drei- oder zumindest zweisprachigen Kanton wäre für Kunz Sprachen lernen. «Wer Grossrat werden will, muss noch eine weitere Kantonssprache lernen oder verstehen. Eine Simultanübersetzung ist kein Zeichen für die italienische Sprache, sondern eine Abgrenzung», so Kunz.

Nach einer Eintretensdebatte von eindreiviertel Stunden beginnt die Detailberatung des Geschäfts.

Schliesslich finden die Abstimmungen zu den Anträgen statt: Der Simultanübersetzung der Grossratsdebatten gemäss der Minimal-Variante wird mit 88:14 Stimmen bei 1 Enthaltung zugestimmt. Dem Verpflichtungskredit für die baulichen-technischen Massnahmen der Simultanübersetzung als Einzelkredit von 1,17 Million Franken wird mit 91:0 Stimmen bei 3 Enthaltungen zugestimmt. Der Regierung wird die operative Realisierung des Projekts mit 90:9 Stimmen bei 3 Enthaltungen übertragen. Und schliesslich wird der Teilrevision der Geschäftsordnung des Grossen Rats mit 89:9 Stimmen bei 3 Enthaltungen zugestimmt.

Weiter gehts

Und nochmals heisst es im Bündner Grossen Rat: Weiter gehts. Standespräsidentin Aita Zanetti (Mitte, Suot Tasna) eröffnet nach der Mittagspause den letzten Nachmittag der Aprilsession. 

Philipp Wyss ist Chefredaktor der gemeinsamen Redaktion der Zeitung «Südostschweiz» und der Internetseite «suedostschweiz.ch». Damit zeichnet er für das Team und für den Inhalt dieser Produkte verantwortlich. Mehr Infos

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