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Einmal ein «Schamaroper Poper» sein

Ich bin eine begeisterte Zuschauerin des Churer Fasnachtumzugs. Ich verkleide mich auch gerne. Aber ein Teil einer Gugge zu werden, war bisher unvorstellbar. Ob eine Nacht mit den Schamaroper Poper daran etwas geändert hat?

22.01.18 - 04:30 Uhr
Kultur

Ganz ehrlich: Guggen-Musikanten waren mir bis anhin recht suspekt. Ich bin zwar selbst eine begeisterte Fasnächtlerin, wenn es ums Verkleiden und Umzug schauen geht, aber mehr dann auch nicht. Wie man sich mit einem Instrument bewaffnet jedes Jahr für mehrere Tage als Musiktruppe durch Bars, Säle und Strassen spielen kann, war mir bis anhin ein Rätsel. Ist das nicht wahnsinnig anstrengend – auch ohne Alkoholkonsum? Und sind wir ehrlich: Guggen sind wohl weitläufig für ihren Konsum von Hochprozentigem bekannt. Wie sollte man das Dauer-Party-machen sonst wohl aushalten? Unter der vielen Farbe konnte ich bisher auch nicht wirklich Persönlichkeiten ausmachen. Es schien vielmehr wie eine bunte – und vor allem laute – Masse an Menschen zu sein, welche offenbar gerne ihre Ferientage «vergeudet», um sich gemeinschaftlich volllaufen zu lassen. Mir ist bewusst, dass ich bis hierhin wohl viele Mitglieder einer Guggenmusik auf 180 gebracht habe, aber lasst mich zu Ende erzählen!

«Du brauchst wohl ein Cüpli»

Ich habe das 25-Jahr-Jubiläum der berühmten Schamaroper Poper Chur zum Anlass genommen, um mir selbst ein Bild einer Gugge zu machen. Um 14.30 Uhr traf ich mich deshalb am Samstag mit einigen Mitgliedern in einer Bar. Dort wurde ich über meine Aufgabe informiert. In der Hitze des Gefechts hatte ich mich doch glatt einige Tage zuvor einverstanden erklärt, an diesem Abend als Fähnrich zu einem Teil der Gugge zu werden. Ich hatte mir nicht einmal überlegt, was dies genau bedeuten würde. Ich eine Fahne schwenken? Und damit die Spitze der Gugge beim Einzug bilden? Herrje, ich sollte künftig wohl besser zweimal überlegen, bevor ich Ja zu etwas sage!

Man sah mir den Schock wohl deutlich an, denn der Bar-Besitzer meinte aufmunternd: «Du brauchst wohl ein Cüpli.» Für gewöhnlich trinke ich ja nicht zu solchen Unzeiten, aber ich ahnte, dass dies nicht mein letztes Getränk für diesen Tag/Abend sein sollte. Um mich in die «richtige Stimmung» zu versetzen, bekam ich gar ein Kostüm der Schamaroper Poper. Passend zum Jubiläum ist die Gugge in diesem Jahr als ihr Maskottchen mit den roten Hosen und dem gelben Oberteil unterwegs.

«Eine grosse Familie»

Um Punkt 16 Uhr versammelten wir uns vor einem grossen Car. Meine Nervosität – trotz einem Cüpli und einem Shot – war noch nicht verflogen und die rund 40 Mitglieder der Gugge machten es gerade nicht besser. Was mach ich nur, wenn ich das ganze Fahnen-Ding vermassle? Und überhaupt, die wollen doch bestimmt keinen Fremdling dabei haben. Aber weit gefehlt! Bereits die Begrüssung vor und im Car war wahnsinnig herzlich und ich wurde bereits zur nächsten Shot-Runde eingeladen. Mein Versuch, die Schamaroper darauf hinzuweisen, dass ich arbeite und noch fähig sein sollte über sie zu berichten, wurde mit einem Lachen abgetan. Und ehe ich mich versah, wurde bereits die erste Dose Bier geöffnet und mehrere strahlende Gesichter führten mich in die Gepflogenheiten einer richtigen Gugge ein.

Als Erstes wurde mir erklärt, dass ich erst ab Sargans Interviews führen könne, da man traditionell auf Höhe Landquart eine Schnupf-Runde abhalte. Ach ja, habe ich bereits erwähnt, dass wir auf dem Weg an einen Guggenball im Kanton Luzern waren? Na auf jeden Fall wollte ich diese Tradition nicht stören und hielt mich zurück.

Auf Höhe Landquart wird geschnupft!
Auf Höhe Landquart wird geschnupft!
NADIA KOHLER

Zwar führte ich danach einige Interviews, aber das klassische Frage/Antwort-Spiel konnte ich mir sparen. Alle plauderten drauflos und erzählten mir bereitwillig, weshalb oder wie sie zu den Schamaroper Poper gekommen waren. Ich stelle auch schnell fest, dass unter den Guggen-Mitgliedern Lehrer, Bundesbeamte, Krankenschwestern oder Hotelangestellte waren, die das gemeinsame Musizieren und das Zusammensein schätzen. Na gut, dem Alkoholkonsum schien keiner abgeneigt zu sein und das älteste Mitglied, George, verriet mir, dass es doch auch schon den einen oder anderen Auftritt gab, bei welchem der Pegel definitiv zu hoch war. Die 21-jährige Alena versicherte mir jedoch, dass es nicht nur ums Trinken geht. Zwar hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt bereits meinen dritten Shot intus, aber ich zweifelte dennoch keine Sekunde an ihren Worten. Es fühlte sich wie ein Klassentreffen an. Oder vielleicht auch wie ein Familienfest. Von Jung (17) bis etwas Älter (über 50) ist bei den Schamaroper Poper nämlich alles vertreten. Und man merkte sofort, dass sich hier alle wunderbar verstehen und jede noch so peinliche Story wurde vor der Journalistin mit einem herzhaften Lachen breitgetreten.

Jetzt gilt es ernst

Nach rund zwei Stunden Fahrt kamen wir an unserem Ziel an und ich wollte von den Mitgliedern und dem Bus-Chauffeur (ebenfalls ein ehemaliges Mitglied der Schamaroper Poper) wissen, wie ich den Abend am besten überstehe. Irgendwie fiel dabei das Wort «mitfeiern» verdächtig oft, aber hört selbst:

Die Tipps der Experten.

Bevor ich meinen Einsatz als Fähnrich hatte, wurde aber – glücklicherweise – noch gegessen. Der Lolli im Car schien mir nämlich doch zu wenig nahrhaft, um das bisher Konsumierte aufzusaugen.

Kurz vor 20.30 Uhr wurde es dann ernst. Ich setzte meine Maske auf und packte die – doch ziemlich riesige – Fahne. Beim Blick auf das nicht ganz so hohe Festzelt wurde mir etwas mulmig: Oje, wie sollte ich diese Fahne nur in das Zelt bekommen, ohne jemanden aufzuspiessen, das Zelt einstürzen zu lassen oder selbst aus dem Gleichgewicht zu kommen?

Ob ich es elegant hin bekam, weiss ich nicht, aber ich stand zumindest am richtigen Ort und alles rund um mich schien auch noch zu stehen. Dann merkte ich aber, dass ich mit der Fahne an der Decke angekommen war und keine Chance bestand, dass ich diese auch nur einen Millimeter schwenken konnte. Ich ergab mich meinem Schicksal ziemlich rasch und wippte stattdessen mit meinem Fuss mit. Ich würde gar behaupten, dass dies sowieso die bessere Option war. Mein Rhythmus-Gefühl ist nämlich mehr als fragwürdig und dann hätte ich die Fahne bestimmt ausserhalb des Taktes geschwungen. So aber hatte ich ausgiebig Zeit, die Musik zu geniessen.

Faszinierend, wie sich dieser Moment als Teil der Gugge anfühlte. Ich sah und hörte tolle Musiker, welche mit viel Spass und Herzblut bei der Sache waren und alles in ihren Auftritt steckten. Keine Spur von einem Schwips, sondern volle Konzentration. Zwischen den Stücken versicherten sich die nahestehenden Mitglieder zudem, dass es mir mit der Fahne immer noch gut geht und sie lächelten mir zu.

Die Schamaroper Poper spielen den «Graubünda-Song».

Gut 30 Minuten später war der Zauber leider schon vorbei und ich marschierte mit der Fahne voraus aus dem Zelt. Naja, mein Beitrag war jetzt nicht immens, aber ich war doch etwas stolz, dass man mich nicht gleich aus meinem Kostüm zerren wollte. Guggenmitglied Sandro sah bei meiner Performance zwar noch Luft nach oben, aber er wollte mich dennoch sogleich als Fähnrich verpflichten. Das folgende Beweisvideo zeigt aber deutlich, dass bei meiner Performance mehr als nur etwas Luft nach oben herrschte. Obwohl, das möchte ich nochmals betont haben, die Fahne am Zeltdach feststeckte…

Die stille Fahne.

Nach «unserem» Auftritt hatten wir selbst noch gut vier Stunden Zeit, den Guggenball zu geniessen und anderen Formationen zuzuhören. Und auch bei dieser Gelegenheit liessen es sich die Mitglieder der Schamaroper Poper nicht nehmen, mich wie eine ihresgleichen zu behandeln. Es wurde getanzt, gesungen und … natürlich auch getrunken. Mittlerweile war ich mehr als überzeugt, dass ich während meines Sonntagdienstes unter Kopfschmerzen leiden würde, aber es war bereits zu spät.

Nach dem Auftritt wird gefeiert. NADIA KOHLER
Nach dem Auftritt wird gefeiert. NADIA KOHLER

Die Fahrt Richtung Chur wollte ich zum Schlafen nutzen, was gar nicht so einfach war. Die Party ging zunächst noch im Bus weiter. Wer einzuschlafen versuchte, wurde umgehend wieder geweckt. Nach etwa 30 Minuten Fahrt wurde es deutlich ruhiger, Köpfe wurden auf die benachbarte Schulter gelegt und die Hälfte der Car-Insassen schlief ein – mich miteingeschlossen. Kurz vor Chur wachte ich wegen des regen Schneetreibens wieder auf. Die Party war zu Ende, die familiäre Stimmung aber blieb. Beim Verlassen des Buses um etwa 3 Uhr wurde nochmals einander zugewinkt, ehe die Fasnächtler in die Nacht verschwanden. 

Im Bett angekommen, stellte ich meinen Wecker und das Display erinnerte mich, dass ich nur rund vier Stunden Schlaf bekommen würde. Müde, aber mit einigen Vorurteilen weniger, schlief ich mit dem Gedanken ein: Liebe Schamaroper Poper, es war mir eine Ehre, eine Nacht eine von Euch gewesen zu sein, aber das Gerücht mit dem Alkoholkonsum kann ich leider nicht ganz aus der Welt schaffen. Mein Schädel brummt jetzt schon.

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