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Trainer Luca Cereda: «Ambri ist ein kleines Wunder»

Ambris Trainer Luca Cereda hat einiges erlebt. Im Interview spricht er über den Mythos Ambri, seine Herzerkrankung und über die Auftritte am Spengler Cup.

Agentur
sda
29.12.23 - 11:40 Uhr
Eishockey
Ambris Trainer Luca Cereda ist wieder voller Energie
Ambris Trainer Luca Cereda ist wieder voller Energie
KEYSTONE/MELANIE DUCHENE

Luca Cereda, die Fans von Ambri-Piotta sorgen auch an diesem Spengler Cup für eine berauschende Stimmung. Was macht die Faszination aus?

Ambri gehört den Leuten. Wir vertreten mit viel Stolz und Emotionen ein kleines Dorf.

Kleines Dorf ist ein gutes Stichwort. Dennoch gehört Ihr seit 1985 ununterbrochen der höchsten Liga an. Wie ist das möglich?

Jeder in der oberen Leventina weiss, dass es ein kleines Wunder ist. Dort einen Klub zu führen, ist in der heutigen, modernen Gesellschaft finanziell eigentlich gar nicht möglich. Ambri repräsentiert das dortige Leben, alle haben ihre Tiefen und Probleme, müssen Steine aus dem Weg räumen. Von daher ist es einfach, sich mit dem Verein zu identifizieren.

Ihr spielt seit 2021 in einer neuen Halle. Das birgt auch Gefahren. Gab es Hindernisse, die Ihr überwinden musstet?

Für uns war sehr wichtig, unsere Werte, die Leidenschaft, die uns auszeichnet, mitzunehmen. Diese zu behalten, ist der grösste Kampf. In der neuen Halle ist der Komfort für die Spieler, für uns Trainer, aber auch für die Fans grösser. Das führt zu Bequemlichkeit.

Sie sind seit 2017 im Amt und damit der dienstälteste Headcoach in der National League. In welchem Bereich haben Sie sich am meisten entwickelt?

Wir als Trainerstab versuchen, uns jeden Tag zu verbessern, schauen auf andere Trainer, andere Sportarten, lernen auch von anderen Teams. Die vergangene Saison war eine grosse Lehrstunde für uns. Wir erlebten so viele Emotionen, dass wir am Ende leer waren. Wir lernten auch als Mensch viel.

Warum hat die vergangene Saison dermassen viel Energie gekostet?

Wir hatten resultatmässig einen super Start, gewannen acht der ersten zehn Spiele. Dies, obwohl die Leistungen so lala waren. Dann ging die Euphorie los. Danach gerieten wir in ein Tief, verloren wir acht Partien in Serie, was zu einer Depression führte. Dann folgte mit dem Gewinn des Spengler Cup ein erneutes Hoch. Am zweitletzten Spieltag verloren wir zu Hause ein entscheidendes Derby (gegen Lugano) und verpassten dadurch die Pre-Playoffs. Es waren wirklich viele Emotionen im Spiel, wir waren sozusagen 24 Stunden, sieben Tage die Woche auf Trab. Wir benötigten deshalb einen Moment, um unsere Ideen zu ordnen und sicher zu sein, dass es für den Verein das Richtige ist, dass wir weitermachen.

In dem Fall konnte es nicht so weitergehen. Was habt Ihr verändert?

Für mich und Paolo (Duca, der Sportchef) war zunächst wichtig, dass alle im Verein in die gleiche Richtung ziehen, dass der Verwaltungsrat von unserem Weg weiterhin überzeugt ist. Ambri gab es schon vor Duca und Cereda und wird auch danach weiter existieren. Mit der neuen Halle wurde diesbezüglich ein grosser Schritt gemacht. Zudem ist es normal, dass je länger wir dort sind, das Ende näher rückt. Als klar war, dass wir weitermachen, nahmen wir Änderungen vor, schauten wir, physisch fitter zu sein und schafften wir etwas mehr Distanz.

Wie schalten Sie ab? Das ist ja extrem wichtig.

Es ist nicht einfach. Ich kenne nur Ambri, weiss nicht, wie es an einem anderen Ort wäre. Dort ist Eishockey stets ein Thema, ob du zu Hause bist oder Einkaufen gehst. Mir hilft es, allein in der Natur zu sein. Ich versuche, so viel Zeit wie möglich da zu verbringen. Und dann ist da eben der physische Aspekt. Im Sommer haben wir schon immer selber trainiert, im Winter dann allerdings weniger. Nun versuchen wir durchzuziehen, um stressresistenter zu sein.

Sie haben so viel für den Verein gemacht, dennoch gab es Anfeindungen. Wie schwierig war das gerade auch für die Kinder?

Sie kamen weinend von Spielen nach Hause, das berührte mich schon sehr. Klar mache ich Fehler, wie das bei allen anderen auch der Fall ist, aber die Kinder können nichts dafür. Es brauchte eine Weile, bis ich damit umgehen konnte.

War es nach Ihrer Karriere als Spieler sofort klar, dass sie Coach werden?

Nein. Als ich mit 25 Jahren aufhörte, hatte ich keinen Plan B. Ich probierte während eines Jahres vieles aus, machte ein paar Praktika. Als weitere Option wollte ich sofort Trainerkurse absolvieren. Als bei Ambri auf der U15-Stufe ein Trainer fehlte, fragten sie mich an. Es gefiel mir sofort und daran hat sich bis heute nichts geändert.

Können Sie sich vorstellen, mal für einen anderen Verein zu arbeiten?

Das war eine Diskussion in der Familie, wir wären offen dafür. Jedoch hat sich diese Option noch nie so richtig ergeben. Es wäre sicher eine coole Erfahrung für mich als Mensch, aber auch für die ganze Familie.

Sie wurden 1999 von den Toronto Maple Leafs als Nummer 24 gedraftet. Ein Jahr später kam heraus, dass Sie einen angeborenen Herzfehler haben, weshalb Ihnen eine Herzklappe eingesetzt wurde. Danach spielten Sie noch bis 2007 weiter. Weshalb dann der Rücktritt?

Unmittelbar nach der Operation sagten sie mir, dass ich vielleicht anders planen müsse. Ich wollte es jedoch versuchen. Mit den Jahren wurde die Aorta immer grösser, weshalb es aufgrund der Schläge auf die Brust zu gefährlich war, weiterzuspielen. Deshalb rieten mir verschiedene Ärzte aufzuhören, und wenn alle das Gleiche sagen, sollte man das ernst nehmen.

Wie sieht es heute aus, müssen Sie sich einschränken?

Ich kann alles machen ausser Kontaktsportarten oder extreme Sachen. Ich bin im Sommer viel mit dem Velo unterwegs, Rennen kommen aber nicht in Frage. Klar ist, dass ich irgendwann eine zweite Operation benötige. Bei der ersten Operation im Jahr 2000 haben sie mir 15 bis 20 Jahre garantiert, nun stehe ich schon bei 23 Jahren und alles läuft noch normal. Ich muss mich einmal pro Jahr untersuchen lassen.

Sind Sie im Leben vorsichtiger geworden?

Nein, ausser dass ich Vertrauen in meinen Körper verloren habe. Ich kämpfe immer noch mit mir, wenn ich innerlich etwas spüre. Meine Aufmerksamkeit ist hoch. Allerdings habe ich in den letzten Jahren diesbezüglich viele Fortschritte gemacht.

Sie waren nah an der NHL. Wurmt es Sie noch, dass Ihnen diese Chance verwehrt blieb?

Ich sage immer, dass es ein Teil des Sports ist, seine Limiten zu kennen. Nun weiss ich nicht, ob ich ohne Operation weitergekommen wäre. Das wurmt etwas. Doch wäre ich heute ohne die Herzprobleme sehr wahrscheinlich nicht Trainer von Ambri, das kompensiert das Ganze ein wenig.

Glauben Sie an Schicksal, dass es so kommen musste?

Ja, absolut. Ich denke, jeder hat ein Schicksal. Es gibt Sachen, die nicht kontrolliert werden können. Aber es ist möglich, etwas dafür zu tun, dass es stets auf der guten Seite bleibt.

Sie haben Erfahrungen in Nordamerika gesammelt. Müsste es nicht mehr Schweizer in der NHL geben? Wo sehen Sie hierzulande noch das grösste Potenzial?

Der Respekt der Nordamerikaner gegenüber uns ist sicherlich grösser geworden. Jedoch können wir zwischen 16 und 20 Jahren noch einen grossen Schritt vorwärts machen, dann hätten wir wohl mehr Spieler in der NHL. Ein Punkt ist sicherlich, dass wir in der Schweiz alles haben. Es braucht hie und da Steine im Weg. Die Freude an Wettkämpfen, an Herausforderungen ist meiner Meinung nach das grösste Talent, das jemand haben kann.

Zum Schluss zurück zum Spengler Cup. In der Gruppenphase setzte es gegen Pardubice eine 2:3-Niederlage nach Verlängerung ab, gegen KalPa Kuopio gewann Ihr Team 5:3. Wie zufrieden sind Sie mit den ersten beiden Auftritten?

In der ersten Partie spielten wir gegen eine sehr gute Mannschaft. Sie waren physisch sehr präsent, siegten verdient. Das zweite Spiel kontrollierten wir. Ich hätte mir allerdings gewünscht, mehr Power nach vorne zu bringen. Wir haben dennoch gewonnen, das ist positiv. Nun hoffe ich auf den nächsten Schritt.

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