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So stark wird sich der Bündner Wald verändern

Einige werden überleben, einige werden sterben. Hart, aber wahr. Denn gewisse Bäume, die zurzeit ohne Probleme wachsen, werden wegen der zunehmenden Wärme und Trockenheit an ihre Grenzen stossen. Eine App soll helfen, die richtige Baumart zu pflanzen.

Kristina
Schmid
16.08.19 - 04:30 Uhr
Wirtschaft
Der Wald im Kanton Graubünden wird 2070 anders aussehen als heute.
Der Wald im Kanton Graubünden wird 2070 anders aussehen als heute.
ARCHIVBILD

Es ist kein Geheimnis, dass sich der Klimawandel auch auf die Wälder auswirken wird. Keine Ausnahme sind da die Wälder im Kanton Graubünden. Eine Gruppe von Forschern hat analysiert, was zurzeit wo wächst – und sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob diese Bäume an eben diesen Orten überhaupt eine Zukunft haben. 

Gemäss Peter Brang von der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft wird man im Kanton Graubünden hauptsächlich zwei Veränderungen wahrnehmen, wenn man künftig in den Wald spaziert: Erstens werde man in trockenen Jahren viel mehr tote Bäume sehen. «Zweitens wird man viel mehr Laubbäume im Wald sehen. Etwa Birken.»

Die Grenze verschiebt sich

Doch wie sieht eine Änderung konkret aus? Die Forscher haben dazu eine webbasierte App entwickelt, die zeigt, welche Baumart in welchem Gebiet heute wächst – und welche dieser Baumarten auch anpassungsfähig ist, um auch in einem veränderten Klima zu gedeihen.

 

Links:
Rechts:

Was ist zu sehen?

Braun: Lärchen-, Arven- und Fichtenwälder
Blau: Fichten- und Fichten-Tannenwälder
Grün: Tannen-Buchenwälder
Gelb & Orange: Buchen- und Laubmischwälder
Lila: Eichenwälder

Dass der braune Teil in der Grafik von 2070–2099 nicht mehr zu sehen ist, liegt nicht daran, dass es dann keine Lärchen, Fichten und Arven mehr geben wird. Sie würden später einfach in noch höheren Gebieten wachsen, also oberhalb der heutigen Waldgrenze (grau in der Grafik von heute).

Eine App hilft

Wie wir nun alle wissen: Ein Baum ist sesshaft. Er kann sich nicht einfach verschieben an einen Ort, an dem es ihm von der Temperatur und Feuchtigkeit her besser entsprechen würde. Das heisst: Der Baum wird lernen müssen, an diesem Ort zu leben. Oder er wird sterben.

Wenn ein Baum stirbt, stellt sich die Frage: Was wird dort künftig wachsen? «Natürlich könnte man das der Natur überlassen. Irgendein Baum wird da schon wieder wachsen. Nur haben wir Menschen eben Ansprüche an Wälder», erklärt Brang. «Wir möchten etwa, dass ein Wald Holz produziert. Dass er in einem Erholungsgebiet Schatten spendet. Dass er in gewissen Gebieten vor Naturgefahren schützt. Um diese Kriterien erfüllen zu können, braucht es eine bestimmte Waldstruktur. Und deshalb macht man sich bereits jetzt Gedanken darüber, welche Baumarten diese Waldleistungen auch in Zukunft werden erbringen können.»

Und hier setzt die «Tree App» an: Sie zeigt den Förstern nicht nur, welche Bäume zurzeit wo geeignet sind. Sie zeigt auch, ob diese Baumarten dort eine Zukunft haben – und wenn nicht, welche stattdessen eine hätten und gepflanzt werden könnten.

Nötiger Wandel

Ein konkretes Beispiel gefällig? Zurzeit wachsen im Gebiet Sagliot in der Region Albula Tannen und Fichten. Die App empfiehlt aber, den Bestand von Tannen und Fichten an diesem Standort zu reduzieren. «Wenn man den Wandel also hinbekommen will, wird man in diesem Fall um eine Pflanzung nicht herumkommen», erklärt Brang. Das heisst aber nicht, dass nun alle Fichten und Tannen rasch abgeholzt werden sollen. 

Vielmehr sollen neue Bäume auch mit Blick auf den Klimawandel gepflanzt werden. «In diesem Fall müsste sich der Förster gut überlegen, ob er auf Tannen und Fichten setzen will, wenn sie in diesem Gebiet eigentlich keine Zukunft haben.» Brang, der auch Projektleiter der «Tree App» ist, erklärt, dass die App deshalb Vorschläge für dort zukunftsfähige Baumarten mache. «Vielleicht entscheidet sich der Förster deshalb für die Waldföhre oder den Bergahorn.» Die Arbeit eines Försters wird also nicht leichter. Aber zumindest haben sie in in der App einen Freund, der hilft. Noch ist die App ein Prototyp, doch geht Brang davon aus, dass die fertige Version Ende Jahres bereit sein wird.

Kristina Schmid berichtet über aktuelle Geschehnisse im Kanton und erzählt mit Herzblut die bewegenden Geschichten von Menschen in Graubünden. Sie hat Journalismus am MAZ studiert und lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern im Rheintal, worüber sie in ihrem Blog «Breistift» schreibt. Mehr Infos

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