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Potenzial von Energie aus Biomasse wird laut Studie überschätzt

Der Nutzung von Biomasse anstatt fossiler Brennstoffe wird oft grosses Potenzial dahin gehend attestiert, zukünftig die Energieversorgung mit sicherzustellen und das Klima zu schonen. Österreichische Forscher dämpfen jetzt die Erwartungen.

Agentur
sda
04.06.20 - 13:24 Uhr
Wirtschaft
Biodiesel und andere Energielieferanten aus Biomasse tragen unter dem Strich nicht viel zur Verminderung von fossilen Brennstoffen bei. (Archivbild)
Biodiesel und andere Energielieferanten aus Biomasse tragen unter dem Strich nicht viel zur Verminderung von fossilen Brennstoffen bei. (Archivbild)
Keystone/JEAN-CHRISTOPHE BOTT

Wenn zumindest ein Teil der Energie etwa durch das Verbrennen landwirtschaftlicher Biomasse anstatt von Kohle, Öl und Erdgas gewonnen würde, hätte das positive Auswirkungen auf die Treibhausbilanz, so die Idee, die etwa auch hinter der Beimischung von Biodiesel steckt.

Wie gross das Potenzial solcher Ansätze aber tatsächlich sein kann, ist Gegenstand von anhaltenden Diskussionen. Denn der Anbau von Pflanzen nur zur Energiegewinnung und nicht etwa zum Verzehr - sogenannte Energiepflanzen - ist umstritten, weil die dafür benötigten Anbauflächen beispielsweise durch Abholzung von Regenwäldern gewonnen werden. Diese Form der Produktion kann das Angebot an Nahrungsmitteln verknappen.

In vielen Zukunftsszenarien, die mit dem Ziel einhergehen, die Klimaerwärmung zu begrenzen, kommt der landwirtschaftlichen Biomasse trotzdem eine zentrale Rolle bei der Energieversorgung zu, heisst es am Donnerstag in einer Aussendung der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien.

Im Rahmen von Modellen haben Wissenschaftler vom Boku-Institut für Soziale Ökologie berechnet, wie sich die Nachfrage und Produktion in dem Bereich, die Veränderungen von Anbauflächen oder der Treibhausgasausstoss der Landwirtschaft unter verschiedenen Bedingungen entwickelt und welche Biomasse-Mengen zur Energiegewinnung jeweils genutzt werden könnten.

Mehr Treibhausgase durch Bioenergie

Aufpassen müsste man etwa auf negative Effekte: So kann verstärktes Düngen die Emissionen erhöhen, schreibt das Team um Erstautor Gerald Kalt in der Arbeit. Beim Blick auf die Treibhausgasbilanz wäre die Nutzung von Jauche in Biogasanlagen von Vorteil, weil Emissionen der Treibhausgase Methan- und Lachgas grossteils verhindert werden können. Das globale Potenzial zur Energiegewinnung liege hier bei rund fünf Exajoule (fünf Trillionen Joule) pro Jahr. Zum Vergleich: Der Energieverbrauch der Schweiz liegt bei etwa 0,8 Exajoule.

Ernterückstände könnten laut den Berechnungen jährlich um die 20 Exajoule an Energie liefern, was aber auch mit moderat steigenden Emissionen einher ginge. Der Energiepflanzen-Anbau könnte theoretisch zwischen rund 40 und 90 Exajoule an Energie bereitstellen. Damit es aber nicht zu Problemen bei der Nahrungsmittelversorgung käme, bräuchte es deutlich mehr Anbauflächen und eine weitere Intensivierung der Landwirtschaft, was wiederum Treibhausgasemissionen erhöhen und Umweltprobleme verstärken würde.

Weniger Fleisch essen wäre effizienter

«Geringere Risiken und weitaus grössere ökologische Vorteile als ein massiver Ausbau landwirtschaftlicher Bioenergie würde eine Neuausrichtung unseres gesamten Ernährungssystems bringen», betonen die Wissenschaftler. Das betrifft vor allem eine Abnahme des Fleischkonsums. So würde wiederum Flächen frei, die als Kohlendioxid-Senken fungieren und dem weltweiten Artenverlust entgegenwirken.

«Naturnahe Wiederaufforstung stellt eine wirkungsvolle CO2-Senke mit positiven ökologischen Nebeneffekten dar. Das Forcieren dieser Senken sollte als zentrale Klimaschutzmassnahme und Alternative zu Bioenergie ernsthaft in Erwägung gezogen werden», so Kalt.

*Fachartikellink: https://doi.org/10.1088/1748-9326/ab6c2e

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