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Die schwache Signifikanz der Leerwohnungsziffer

Die Leerwohnungsziffer wird oft als wichtiger Wohnungsmarktindikator bezeichnet.

Wohnen
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03.01.24 - 15:46 Uhr
Die Leerwohnungsziffer berücksichtigt nicht alle Wohnungen und ist daher wenig aussagekräftig.
Die Leerwohnungsziffer berücksichtigt nicht alle Wohnungen und ist daher wenig aussagekräftig.
Bild:123rf

von Reto Nick, Geschäftsführer des HEV Graubünden 

Am 1. Juni 2023 standen in Graubünden 0.58 Prozent des Wohnungsbestandes oder 1’057 Wohnungen leer. Dies entspricht in etwa dem gesamten Wohnungsbestand der Gemeinde Lantsch/Lenz. Dies geht aus der Leerwohnungszählung des Bundesamtes für Statistik hervor. Die Leerwohnungsziffer wird, nach Kantonen gegliedert, jeweils per 1. Juni erhoben und im September desselben Jahres vom Bundesamt für Statistik veröffentlicht.

Die Definition der Leerwohnungsziffer

In der Leerwohnungszählung gelten -  anders als bei der Gebäude- und  Wohnungszählung - nur diejenigen Wohnungen als Leerwohnungen, die auf dem Markt zur Dauermiete oder zum Kauf angeboten werden. Berücksichtigt werden alle bewohnbaren Wohnungen, unabhängig davon, ob sie möbliert sind oder nicht. Unter der Leerwohnungsziffer versteht man den prozentualen Anteil der leerstehenden Wohnungen (Stichtag: 1. Juni) am Gesamtwohnungsbestand der registerbasierten Gebäude- und Wohnungsstatistik (GWS) des Vorjahres.

Sinkende Ziffer führt zu politischen Folgen

In den letzten Jahren ist die Leerwohnungsziffer in Graubünden stetig gesunken. Diese Entwicklung hat in Politik und Medien zu Diskussionen über eine mögliche Wohnkrise geführt, obwohl der Wohnungsmangel ein bereits länger bestehendes Problem ist. Graubünden hat seit jeher einen im Vergleich zur Schweiz eher tieferen Leerwohnungsbestand.

Einfluss auf den Wohnungsmarkt

Die Leerwohnungsziffer wird oft als wichtiger Indikator für den Wohnungsmarkt bezeichnet. Sie kann auf ein Überangebot an Wohnraum hinweisen, während eine sehr niedrige Ziffer auf einen angespannten Wohnungsmarkt mit möglicherweise steigenden Mieten hindeutet. Sie wird auch verwendet, um Trends im Wohnungsmarkt zu analysieren und politische Entscheidungen in Bezug auf Wohnungsbau und Stadtplanung zu unterstützen. Aber ist diese statistische Kennzahl wirklich aussagekräftig? Wie wird sie erhoben und wie genau ist sie?
Die publizierte Leerwohnungsziffer ist kritisch zu betrachten, da die Erhebungsmethode zur Ermittlung der Leerwohnungszahl im Ermessen der Gemeinden liegt, die diese dann an das Bundesamt für Statistik (BFS ) zur archiv-gerechten Aggregation weiterleiten. So befragen einige Gemeinden die Vermieter und Eigentümer, andere verwenden die Daten der Einwohnerkontrolle oder stützen sich auf Zeitungsinserate. Wieder andere konsultieren Immobilien-Onlineportale oder lancieren im amtlichen Anzeiger einen Aufruf an Vermieter, leerstehende Wohnungen melden. Die Frage nach der statistischen Aussagekraft der Leerwohnungsziffer ist daher berechtigt.

Unvollständige Erfassung der Angebote

Viele Wohnungen werden in der Statistik nicht berücksichtigt, weil sie beispielsweise am Anschlagbrett eines Lebensmittelgeschäfts beworben oder innerhalb kurzer Zeit wieder vermietet werden und deshalb nie in der Leerwohnungsstatistik auftauchen. Aufgrund dieser unvollständigen Erfassungen werden Ausdrücke wie «Wohnungsnot» oder «Wohnungsmangel» gerne als plakative Schlagworte missbraucht. Deshalb setzen sich der HEV Schweiz und andere Akteure der Immobilienbranche dafür ein, dass in der gesetzlichen Regelung eine Alternative zur Leerwohnungsziffer - wie zum Beispiel die Angebotsziffer oder die Vermarktungsdauer - als Indikator  für angespannte oder entspannte Immobilienmärkte verwendet wird.
Das Bundesamt für Statistik hat eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, um die Zählung der Leerwohnungen schweizweit zu vereinheitlichen.

www.hev-schweiz.ch

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